Paxson, Diana L.
war.
Wenn es eine Herrin gab, dann hatte sie mich verraten; denn all meine Bemühungen, Esseilte zu beschützen und March und diesem Land treu zu bleiben, hatten zu dem einen geführt – meiner Erkenntnis, daß ich nur ein fleischliches Wesen war, dazu geschaffen, der Fleischeslust eines Mannes zu dienen.
Die letzte Garbe
Die Flut zog sich zurück. Von der Küste konnte man ein plötzliches Kräuseln auf dem braunen Wasser sehen, als die Strömung des Fawwyth sich gegen den stockenden Willen der See preßte. Wo sanfte Wellen nach dem Riedgras geleckt hatten, schimmerte nun ein schmaler Streifen grauen Schlamms, bestreut mit zerbrochenen Muscheln und Steinstückchen, und das Ruderboot, das am Ende seiner Leine geschaukelt hatte, saß jetzt auf seinem Kiel. Ein paar Wolken zogen hoch über den Himmel, als würde das Wetter bald umschlagen, doch noch war der Tag warm und ruhig.
Wie das sanfte Plätschern des Flusses plätscherte auch die Harfenmusik hinter mir, manchmal kräftig, manchmal leise. Wir waren hierhergekommen, um unser Mittagsmahl am Wasser zu uns zu nehmen, die Reste der Pastete lagen auf der Decke. Dewi war noch mit den Honigkuchen beschäftigt. Esseilte lehnte sich an Drustan und hatte den Kopf an seine Schulter geschmiegt. Keihirdyn lag mit dem Kopf auf seinem zusammengerollten Umhang und beobachtete mich. Aber ich hatte ihnen allen den Rücken zugewandt, saß mit angezogenen Knien, um die ich die Arme geschlungen hatte, und blickte über den Fluß.
»Wyns Sohn Cuby war gestern in Welnans. Er hat erzählt, daß die Stammesfürsten zur Burg zurückgekehrt sind«, murmelte Dewi mit dem Mund voll Honigkuchen. Plötzlich war nur noch der Fluß zu hören. Ich drehte mich um und sah, wie die drei Erwachsenen den Jungen anstarrten. »Der König nicht…« Dewi schluckte. »Er ist noch im Osten, in Dyfneint, wie es heißt.«
»Was macht er dort?« platzte Drustan heraus, dann lachte er, als Dewi ihn erstaunt anblickte. »Nein, Junge, ich glaube nicht, daß Cuby dir das erzählt hat. Doch obgleich die Leute im Osten sich vielleicht mit einer Cornovier-Herrschaft abfinden, haben sie nicht vergessen, daß Artus ihre eigenen Fürsten entmachtete, nachdem sie sich bei Porteaster und aufs neue bei Badon mit den Sachsen zusammentaten.« Er schüttelte den Kopf. »Das Klagelied, das sie nach dieser Schlacht für Gerontius erdachten, war eines der ersten Stücke, die ich für den König singen lernte. Ich habe in den letzten Tagen oft daran gedacht.«
Fast wie von selbst langten seine Finger nach den Harfensaiten, und er zupfte einen langen, tiefen Akkord.
Der Herr Gerontius, der Feinde Not,
Der ließ die Pferde steigen, weiß und rot.
Nach Krieg und Kampfgeschrei ist bitter der Tod.
Dort in Porteaster sah ich Sporen glühn
Und keine Männer vor scharfen Speeren fliehn,
Die tranken aus Glas, das hell wie Tränen schien.
Dort in Porteaster traten sie kühn hervor,
Zu streiten für den Herrn, den großen Artor,
Erster im Kampfgetümmel, Imperator.
Dort in Porteaster sah ich Gerontius' Fall
Und auch der Helden von Dumnonia all,
Die, eh sie starben, schlugen ohne Zahl…
Ein Mißklang schlich sich plötzlich ein, und er strich mit der Hand über die Saiten.
»Ich denke daran«, stöhnte er, »und frage mich, ob man nicht bald ein Klagelied für Conomor von mir verlangen wird!«
Ich vergrub das Gesicht zwischen meinen verschränkten Armen. Tief in mir war eine Frau, die bei diesen Worten weinte, doch sie konnte die Mauer nicht durchbrechen, die ich seit jener ersten Nacht mit Keihirdyn um mein Herz errichtet hatte.
»Du liebst ihn…«, sagte Esseilte weich. »Ich habe so lange gebraucht, bis ich es verstand. Der Morholt liebte nur den Ruhm, nicht seinen König. Du muß zurückkehren, Drustan – verlaß mich und kehr nach Léon zurück!«
Da setzte er die Harfe ab und nahm Esseilte in die Arme, doch ich weiß nicht recht, wer wen tröstete.
Enten watschelten den Schlammstreifen hoch, und ich warf ihnen die Pastetenkrümel zu. Ein Erpel hüpfte über Esseiltes Fuß, um nach einem Bröckchen zu schnappen, da blickte sie auf und lachte.
»Es war recht hübsch am Fluß«, sagte Keihirdyn, »aber der Schlamm sieht weniger appetitlich aus. Meint ihr nicht, daß es Zeit ist, zum Hof zurückzugehen?«
Dewi rannte voraus, und der leere Korb hüpfte bei jedem Schritt vor oder zurück, als wir den Pfad den Bach hoch nahmen. Keihirdyn und ich gingen hinter ihm. Bereits jetzt strich seine Hand verheißungsvoll über
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