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Payback

Titel: Payback Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schirrmacher
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ziemlich genau vorschreiben würde, was sie zu tun oder zu lassen hatten.
    »Taylor« ist, wenn man so will, die Verkörperung der Intoleranz der Maschinen gegenüber menschlicher Toleranz und menschlichen Schwächen, jedenfalls der erste Versuch, menschliches Verhalten dem Rechner unterzuordnen. »Wir lassen nicht die Arbeiter denken. Wir denken selbst«, sagte der wirkliche Taylor 39 , und manchmal scheint es genau das zu sein, was heute unsere Computer sagen: Ihr Menschen seid die Arbeiter, die funktionieren, das Denken übernehmen wir.
    »Leviathan« ist, wie man heute erkennen kann, ein historischer Übergang. Er überträgt das Körper- und Muskeltrainingsprogramm des wirklichen Taylor im industrialisierten neunzehnten Jahrhundert in den Bereich unseres Gehirns. Das Gehirn muss sich anpassen und den Instruktionen der Zentraleinheit des Computers folgen, es ist der Übergang von Körper zu Geist.Wenn es ihnen gelänge, so schrieben die Romes, den Input lebender Menschen zu verarbeiten, würde eine Zeit anbrechen, in der Menschen Computern nicht nur Befehle erteilten, sondern bereit wären, Befehle von ihnen auszuführen.
    Schriftsteller und Künstler haben wohl am meisten unter dem Konflikt zwischen Körper und Geist (manche sagen: Natur und Seele) gelitten, ein Leiden, das jeder nachvollziehen kann, der sich ein Buch über eine neue Hollywood-Diät kauft und daran verzweifelt, dass in seinem Körper nicht geschieht, was im Geist so einfach scheint.
    Aber in Wahrheit waren es die Mathematiker, die René Descartes' Satz »Der Körper wird den Geist immer beim Denken behindern« am meisten zustimmen konnten.
    Es geht bei uns nicht mehr nur um Körper und Geist, sondern um den »Geist in der Maschine« und unseren menschlichen Geist. Täglich, ja minütlich, sobald die Maschine eine neue E-Mail oder eine neue Anweisung produziert, findet eine Auseinandersetzung zwischen zwei kognitiven Welten statt. Dem Befehl, der auf Ausführung durch den Menschen wartet, und dem Inhalt, der den Menschen in der Struktur eines Befehls weitergegeben wird. Deshalb ist selbst das einfache Surfen im Web am Ende so anstrengend. Wir spüren, dass es irgendwo einen Befehl oder einen Alarm gibt, der uns lenkt. Wir suchen nicht nur nach Neuigkeiten, wir suchen immer auch nach Erlösung von dem, was uns lenkt.
    Es war geradezu zwingend, dass aus diesem System, das im Internet perfektioniert wurde, die Frage entstehen würde, ob man Herr seines freien Willens ist. Die Frage ist so konkret geworden, dass sie längst nicht mehr nur die Angelegenheit von Moralphilosophen ist. Viele reden darüber, was ein geistiger Urheber in Zukunft eigentlich noch sein wird. Aber das hat nicht nur mit der Frage des Copyrights zu tun, also damit, wem welcher Gedanke, welches Foto oder welche Texte gehören. Es wird viel grundsätzlicher werden und jeden betreffen: Es geht um den »geistigen Urheber« in einem fundamentalen Sinn, um die Frage, ob wir uns noch durchgehend als intelligente und schöpferische Urheber in unseren eigenen Köpfen fühlen werden. Anders gesagt: Ob wir noch die Kontrolle über unsere Gedanken und Handlungen haben.

WIE WIR DIE KUNST DES FLIEGENS VERLERNEN
    rank Gilbreth war ein glühender Gefolgsmann Frederick Taylors und beschloss eines Tages, sich mit zwei Rasierern gleichzeitig zu rasieren, um Zeit zu sparen. Er gab den Versuch erst auf, als er feststellte, dass er zwei Minuten zusätzlich brauchte, um seine so entstandenen Wunden zu bandagieren.
    Die Wunden, die wir heute spüren, sind weniger sichtbar, aber überall, wo Daten über die Veränderung von Lese- und Konzentrationsfähigkeiten zur Verfügung stehen - in Amerika, den Niederlanden und Israel -, werden die Menschen nervös. »Es wäre eine Schande«, fasst der Autor Edward Tenner die Lage zusammen, »wenn es so enden würde, dass eine brillante Technologie die Art von Intellekt bedroht, die sie hervorgebracht hat.« 40
    »Die Mehrheit der Arten«, warnte bereits vor achtzig Jahren der Evolutionsbiologe J.B.S. Haldane, »hat nach und nach viele ihrer Funktionen verloren. Die Vorläufer von Austern und Entenmuscheln hatten Köpfe. Schlangen haben ihre Gliedmaßen und Strauße und Pinguine ihre Flugfähigkeit eingebüßt. Ebenso leicht könnte der Mensch seine Intelligenz einbüßen.« 41
    So weit ist es mit Sicherheit noch nicht. Wenn der Verlust der Intelligenz droht, wird uns Google rechtzeitig warnen. Denn Biologen haben festgestellt, dass der Google-Suchalgorithmus das

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