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Payback

Titel: Payback Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schirrmacher
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aber: Unsere Laptops, Handys und Computer, unsere Facebook-Accounts und E-Mail-Postfächer haben unterdessen weitergetickt. Ein Nickerchen halten heißt nur, das Versäumte nachholen zu müssen.
    Die Informationstechnologie hat die Welt des Frederick W. Taylor zurückgebracht, jenes legendären Arbeitsoptimierers, der das Leben nach der Stoppuhr erfand und auf den viele der inhumanen Effizienzmethoden der industriellen Arbeitswelt zurückgehen. Prinzipien, die, nach den Worten des Ökonomen Peter Drucker, mindestens ebenso einflussreich waren wie die Theorien von Marx und Freud. 36 Der »digitale Taylorismus«, auf den zuerst die amerikanische Journalistin Maggie Jackson in ihrem lesenswerten Buch über »Zerstreutheit« hinwies, zerstückelt Leben, Zeit, Gedanken, nur dass wir es diesmal mit einer »personalisierten« Variante dieser Ideologie zu tun haben. Die meisten Menschen unterwerfen sich freiwillig den Befehlen der Mikroprozessoren.
    Taylor schuf eine Einteilung, die Arbeitsplätze in kleinste, hocheffiziente Einheiten und Umgebungen verwandelte, in denen jede Bewegung, jeder Schritt des Arbeiters auf seine Wirtschaftlichkeit hin geprüft wird. Worum es aber eigentlich ging, war die Verwandlung des menschlichen Körpers, der den Maschinen angepasst werden musste. Diese Verwandlung zielte darauf, die in den Schmieden auf den Äckern grob gebildeten Muskeln feinmotorisch an die kostbaren Maschinen anzupassen, die Finger sensibler zu machen, die Bewegungsabläufe zu synchronisieren.
    Also unterteilte Taylor die menschliche Arbeit in immer kleinere, monotone Einheiten, bestrebt, jede Sekunde selbst des privaten Lebens mit der größtmöglichen Effizienz zu nutzen.
    »In der Vergangenheit«, so hatte Taylor einmal gesagt, »kam der Mensch zuerst. In der Zukunft muss das System zuerst kommen.« 37
    Auch das Hirn ist ein Muskel, wenngleich ein besonderer. Die Kopfschmerzen, die wir empfinden, die Blackouts, unter denen wir leiden, die Nervosität, die uns umgibt, sind Ergebnisse eines epochalen Selbstversuchs, das menschliche Hirn an die Maschinen anzupassen.
    Der Angriffspunkt im Zeitalter des heutigen, digitalen Taylorismus ist unser Gehirn.

WARUM WIR UNS MEHR UND MEHR DEN MASCHINEN ANPASSEN
    as Erste, was Ihr Computer über Menschen lernte, war, dass er Panik verhindern und in bestimmten Grenzen die Befehlsgewalt an sich reißen musste.
    Überall, wo Sie mit Rechnern in Kontakt treten, die sich der Organisation und Zusammenarbeit von Menschen und Maschinen widmen - also praktisch überall, vom Textverarbeitungsprogramm bis zum Wahlcomputer -, arbeitet noch immer irgendwo im hintersten Winkel der Software der Ururgroßvater all dieser Programme, die Reste eines Codes namens »Leviathan«, der vor Jahrzehnten im Auftrag der amerikanischen Luftwaffe entwickelt worden ist, um Panik bei einem atomaren Erst-schlag der Russen zu verhindern. Das Philosophenehepaar Beatrice und Sidney Rome hatte damit das erste komplexe Mensch-Maschine-Programm überhaupt entwickelt. Es sollte dem Zweck dienen, Menschen in komplexen Entscheidungssituationen Instruktionen zu erteilen. Und da Bruchstücke von Computerprogrammen, die seit Generationen kein Programmierer mehr angeschaut hat, in die jeweils neuesten Systeme kopiert werden, helfen einige jener Daten-Gene von Leviathan, die einst gelernt haben, einen Atomschlag zu managen, uns dabei, mit unserem neuesten Betriebssystem fertig zu werden.
    Glücklicherweise musste das Programm der Romes niemals unter Beweis stellen, dass es im Ernstfall wirklich funktioniert. Nach allem, was wir wissen, scheiterte es an der geringen Speicherkapazität der damaligen Rechner. Aber die späteren Abkömmlinge dieses Programms haben, wie der Wissenschaftshistoriker George Dyson in seinem Klassiker »Darwin unter den Maschinen« bemerkt, noch in den meisten der heute existierenden Computersysteme und Netzwerke mächtig zu tun. Und weil sie die Schnittstelle zwischen Menschen und Rechnern markieren, kann es nicht schaden, einmal nachzuschauen, was sie dort eigentlich tun.
    Das Ehepaar Rome simulierte in seinem Programm Menschen »unter sozialen Zwängen«, sogenannte »intelligente Agenten«. Jeder dieser »Agenten« hatte einen gewissen Entscheidungsspielraum, und die Art, wie dieser Entscheidungsspielraum genutzt wurde, tauften die Romes »Taylor« - in Erinnerung an den Erfinder der Arbeitsoptimierung. 38 Es war nichts anderes als eine mathematische Funktion, die sterblichen Menschen im Ernstfall

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