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Payback

Titel: Payback Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schirrmacher
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rechnen können, aber dass wir dabei die Tricks, wie man selbstständig sein Ziel findet, immer weniger kennen. Jeder Autofahrer, der ein Navigationssystem hat, kennt das Gefühl der Hilflosigkeit, wenn er sich, beispielsweise im Ausland, den Weg durch den Verkehrsdschungel plötzlich wieder selbst suchen muss. Und ohne Zweifel gibt es bereits viele Rettungswege des Denkens, von denen wir gar nicht mehr wissen,
dass
wir sie verlernt haben, weil wir sie schlichtweg vergessen haben.
    Wie lernten beispielsweise unsere Vorfahren, wie man Zahlen, die auf 5 enden, schnell und sicher mit sich selber multipliziert? Was ist zum Beispiel 35 zum Quadrat, also 35 mal 35? Nimm die erste Ziffer (3) und multipliziere diese mit der nächsthöheren (4), das ergibt hier 12. Dann hänge immer die Ziffern-folge 25 an, was 1225 ergibt. Mit diesem Shortcut kann man im Nu 45, 55 oder 65 zum Quadrat berechnen - im Kopf, wohlgemerkt. 68
    Wir können mit dem Verlernen solcher Tricks leben, wenn es ums Rechnen geht. Wie aber steht es mit all den anderen Dingen, mit Gelesenem und Erlerntem und schließlich mit unseren Erfahrungen?
Wohin wird es führen, wenn Computer uns dauernd zeigen, dass sie das, was sie einem abverlangen, viel besser können?
Wie werden wir uns künftig selbst einschätzen, unsere Erfolge und Misserfolge? Wie werden wir mit dem eigenen Inneren reden, wenn wir den Sinn für Kontinuität und Identität verloren haben?
Welche Amputation hat dazu geführt, dass sämtliche Banker, Notenbankpräsidenten und Finanzminister der Welt die Finanzprodukte nicht mehr verstehen, die sie zusammenbauen lassen, ja wochenlang weder Soll und Haben kennen und nicht einmal mehr Größenordnungen abschätzen können, weil das, was man dazu braucht - eben jene oben genannten »approximativen Heuristiken« -, verlernt wurde?
Genügt eine Koexistenz zwischen Mensch und Maschine, die uns zu ewigen Konsumenten macht?
Oder ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, wo Menschen ihren Führungsanspruch gegenüber den Computern anmelden sollten?
Nehmen wir den maschinenzentrierten Blick auf die Welt ein oder den menschenorientierten Blick?
    Der Kognitionswissenschaftler Donald A. Norman, der bereits vor dem Durchbruch des Internets den Computerhersteller Apple beriet, hat den Unterschied in einer Tabelle präsentiert.
    Auf die letzte Frage lautet die Antwort eindeutig: Ja. Denn in der nächsten Entwicklungsstufe des Internets wird uns der Prozess des Abwägens und Gewichtens möglicherweise vollends aus der Hand genommen, so sehr, dass auch sehr viel gewichtigere Fragen, nämlich danach, was wir wollen und welche Ergebnisse aus welchen Gedanken folgen, an die Maschinen delegiert werden. Es geschieht das, was Strogatz bereits in der Mathematik beobachtet: Denken wird zum Zuschauer-Sport und ordnet sich der Autorität von Maschinen unter.
    Dieses »Könnte man nicht?«, »Sollte man nicht?«, »Wäre das nichts?« reicht uns von Link zu Link, von Gedanken zu Gedanken weiter. »Im Laufe des einundzwanzigsten Jahrhun-
    MASCHINENZENTRIERTER BLICK
MENSCHEN
COMPUTER
Vage
Präzise
Unorganisiert
Organisiert
Unkonzentriert
Konzentriert und nicht
und ablenkbar
ablenkbar
Emotional
Unemotional
Unlogisch
Logisch
    MENSCHENORIENTIERTER BLICK
MENSCHEN
COMPUTER
Kreativ
Dumm
Entgegenkommend
Rigide
Flexibel
Konsistent
Veränderungsbereit
Unsensibel für Wandel
    aus: Norman, D.: Things that make us smart. New York 1993, 224.
    derts«, schreibt der junge Neurowissenschaftler und Erinnerungsforscher Sam Cooke, »wird sich wahrscheinlich die Qualität der inneren Selbsterfahrung des Menschen fundamental verändern.« 69
    Das Denken wandert nach außen, heißt: Die innere Stimme wird eine äußere, und zwar in einem Umfang, der noch vor wenigen Jahren unvorstellbar gewesen wäre. Schon heute erleben viele Menschen, die im Netz kommentieren, bloggen, in sozialen Netzwerken kommunizieren, wie Katie Hafner in der »New York Times« schreibt, eine sonderbare Abkoppelung von sich selbst. Aufmerksamkeit, Zeit und Konzentration reichen nicht aus, die eigenen Äußerungen gleichermaßen innerlich zu verarbeiten.
    Die unmittelbare Folge ist, dass Menschen von den Maschinen nicht mehr loskommen. Sie kleben mit ihren Wünschen an ihnen fest.
    Schon jetzt kann man in unserem Informationsverhalten lesen wie in einem offenen Buch. Das weiß jeder, der seinen Buchgeschmack von Amazon oder seinen Musikgeschmack von Apples Genius lesen lässt oder einmal wie durch Zauberhand von Link durch Link durchs

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