Payback
und genau war, dass sie schließlich so groß wurde wie die Welt selbst. Er war zu be scheiden. Man braucht nicht viel Fantasie, um sich auszumalen, wie die Statistik in fünf Jahren aussehen wird. Vernetzt mit Google Earth,Twitter, Handy tritt das Leben ins Stadium seiner technischen Verwertbarkeit.
Videos im Netz sind freilich noch das traditionellste aller digitalen Angebote. Das Gleiche geschieht bei der Organisation von Freundschaften, Sozialkontakten, Lebensentscheidungen. Hinzu kommt der Verarbeitungsdruck normaler Nachrichten und Informationen, der größer wird, je länger die Informationen gespeichert sind, auf einen blinkend warten oder in regelmäßigen Abständen über Mail-Konten oder digitale Anrufbeantworter beim Empfänger nachfragen. Der Mensch ist ein Wesen auf der Suche, und die Suche hat für ihn jetzt der Rechner übernommen. Und ohne es zu spüren, übersetzen wir damit unser Ich in die Befehlsstruktur eines Mikroprozessors.
Das tun wir deshalb jetzt schon so bereitwillig, weil die Informationstechnologie in der Tat einen ganz wesentlichen Teil des Geistes nicht nur widerspiegelt, sondern auch perfektioniert. Man lebt in dem Kasten, ganz gleich, ob er ein Computerbildschirm oder ein Blackberry ist, gleichsam seelisch zusammengekauert und dabei stets alarmiert. 75
Nein, unser Problem sind nicht Roboter, die wie Menschen aussehen, oder Computer, die wie HAL in dem Film »2001« reden. Solange die Roboter in der wirklichen Welt noch nicht einmal den Rasen mähen können, ohne alles durcheinanderzubringen, können wir die Sorge, sie könnten uns irgendwann ablösen und dann ganz ersetzen, sogar getrost der Nachwelt überlassen.
Die Figur, die uns schon eher ähnelt, trat zum ersten Mal vor über 200 Jahren in Erscheinung. Im Frühjahr des Jahres 1770 führte der kaiserliche Hofbeamte Wolfgang von Kempelen einer hingerissenen Kaiserin Maria Theresia und ihrem Hofstaat seine Erfindung vor. Hinter einem Kasten, auf dem ein Schachbrett aufgemalt war, saß eine lebensgroße hölzerne Figur, drapiert in Seide und Hermelin. Der Kasten selbst war 1,20 Meter lang und 90 Zentimeter hoch und stand auf vier Messingrollen. Er werde ein Wunder zeigen, verkündete von Kempelen: einen automatischen Schachspieler. 76
Der »Schachtürke« des Wolfgang von Kempelen war ein mechanischer Schachspielautomat, der quietschte und ratterte und stockte und aus dessen Innerem man das Pumpen hydraulischer Maschinen hörte. Und der angeblich der erste Computer der Welt war.
Fast hundert Jahre hat der Schachtürke das alte Europa in Atem gehalten, Napoleon hat gegen ihn gespielt und die großen Geister der Epoche haben sich den Kopf darüber zerbrochen, ob eine Maschine wirklich denken könne. Aber es ist nicht der geschnitzte Türke, in dem man den heutigen Menschen wiedererkennt, sondern eine Person, deren Identität niemals aufgeklärt wurde.
Dieser Automat ist, wie wir heute wissen, ein ziemlich beklemmendes Gefängnis. Edgar Allan Poe hat 1836 mit mathematischer Logik in einem Essay nachgewiesen, dass in dem Automat ein Mensch sitzen musste: »Nicht immer bleibt der Schachtürke Sieger. Wär' die Maschine jedoch ein Apparat (…) so könnte dies nimmermehr der Fall sein - sie würde jedes Spiel gewinnen.« 77
Wir werden mehr und mehr zu diesem Menschen, der zusammengekauert an seinem Arbeitsplatz, einem kleinen Kasten sitzt, Instruktionen befolgt und auf Informationen von außen wartet. Zugegeben, das Gehäuse ist nicht mehr so eng wie zu Kempelens Zeiten, und wenn es von Apple kommt, ist es sogar nicht nur Gehäuse und Technik, sondern auch Kunst. Aber nichtsdestotrotz sitzen wir zunehmend in diesem Apparat fest.
Der Vermenschlichung der Maschinen entspricht die Computerisierung des Menschen. Nur dass heute, anders als bei von Kempelen, oft ein Rechner und nicht mehr ein Mensch die Anweisung für den nächsten Schachzug erteilt. Die Frage, die dieser Erkenntnis zwingend folgt, ist nicht die, wozu wir die Computer künftig noch gebrauchen können - sondern wozu die Computer uns brauchen können.
»Wenn wir von Schnittstellen zwischen Menschen und Computer sprechen, unterstellen wir gewöhnlich, dass der Mensch eine Aufgabe erledigt haben will und dass der Computer sie erledigt und das Ergebnis bereitstellt. Was aber, wenn der Prozess umgekehrt würde und ein Computerprogramm den Menschen darum bitten könnte, eine Aufgabe auszuführen und Ergebnisse zu liefern?« So die Anleitung, mit der Amazon seine Software
Weitere Kostenlose Bücher