Payback
Internet gereicht wurde.
Wir haben längst widerspruchslos akzeptiert, dass wir bei Büchern offenbar den gleichen Geschmack haben wie ein Kunde aus Kansas und dass der Computer jetzt schon weiß, welche Musik uns morgen gefällt.Vermutlich nehmen die meisten Menschen nur unbewusst wahr, wie sehr sie bereits von Vorformen künstlicher Intelligenz geprägt werden.
Die »intelligenten Agenten«, eben jene Software, die uns liest und steuert, haben schon seit Längerem eine hitzige Debatte ausgelöst. Aber erst in den letzten zwei Jahren haben sie sich aufgrund besserer Computerleistung und größerer Datenmengen von winzigen Souffleuren zu mächtigen Intelligenz-Organisationen entwickelt. Oft stecken hinter den Code-Entwicklern fast kindliche Geister, und in den seltensten Fällen sind sie von bösen Absichten getrieben: Im Gegenteil, die Informationsflut zwingt sie zu immer präziseren Analysen unseres Verhaltens. Manche wie Google, die Organisation, die heute wahrscheinlich mehr über menschliches Verhalten weiß, als alle Verhaltensforscher der Welt zusammen, scheinen sich der Gefahr bewusst zu sein. Andere, von denen wir später mehr erfahren werden, sind aber bereits dabei, Menschen in Roboter zu verwandeln.
COMPUTER KÖNNEN KEINE GESCHICHTEN ERZÄHLEN
ngenieure sind keine Geschichtenerzähler. Trotzdem schreiben sie die wahren Romane unserer Zeit. Und sie haben offenbar längst verinnerlicht: Die Zeit des linearen Denkens, wie es ein Buch oder eine Geschichte erfordert, war womöglich nur eine Phase in der menschlichen Geschichte. »Auch ihre Bücher sind schließlich voll mit Ablenkungen«, sagt ein Blogger, »Käpt'n Ahab jagt ja auch nicht nur einen Wal. Da steht noch alles mögliche andere Zeug in ›Moby Dick‹.« Aber er fügt hinzu: »Darum ist es wahrscheinlich so ein gutes Buch.«
Wieder andere sind seit der Informationsflut skeptischer geworden, zum Beispiel der Wissenschaftshistoriker George Dy-son, dessen Familie wie keine andere mit Erfolgen der modernen Naturwissenschaft verbunden ist. Immer wieder geht es um den Januar 2003 und darum, ob Computer nur deshalb so zuverlässig wirken, weil wir keine Risiken mehr abschätzen können.
Eine harmlose Powerpoint-Tafel ist nichts anderes als ein gefilterter Denkprozess. Im Fall der Columbia allerdings in einer Art gefiltert, die maßgeblich an der Katastrophe der Raumfähre im Januar 2003 mitschuldig ist.
Durch ein Video hatte die NASA damals festgestellt, dass die Raumfähre zweiundachtzig Sekunden nach dem Start von einem Stück Hartschaum getroffen worden war, das womöglich lebenswichtige Systeme beschädigt hatte. Was würde das für die Columbia bedeuten, wenn sie wieder in die Erdatmosphäre eintreten würde? Die Techniker hatten zwölf Tage Zeit, das Problem zu lösen; so lange befand sich die Raumfähre noch auf der Umlaufbahn um die Erde. Techniker der Flugzeugfirma Boeing, die Teile der Raumfähre gebaut hatte, halfen nach ausführlichen Diskussionen mit Erklärungen: 28 Powerpoint-Illustrationen, auf deren Grundlage die Verantwortlichen der NASA zu der irrigen Annahme kamen, für die Columbia bestehe keine Gefahr.
Der Informatiker und Grafikdesigner Edward Tufte hat diese Präsentationen Jahre später noch einmal ausgewertet und herausgefunden, dass sie eine völlig falsche Vorstellung von dem erzeugen
musste
, was wichtig war und was nicht: Während erst später im Kleingedruckten und bei den kleinen Aufzählungspunkten Zweifel und technische Probleme geschildert wurden, war die obere Hierarchie der Präsentation, waren die Überschriften und Zusammenfassungen der einzelnen Sheets, hervorgehoben durch besonders dicke Aufzählungspunkte, optimistisch und positiv.
Die NASA-Verantwortlichen wurden also von der Grafik falsch navigiert: Sie ließen sich durch diese vereinfachende Schein-Logik täuschen und gaben Entwarnung. Dabei hatten die Erkenntnisse, die dieser Grafik zugrunde lagen, auf ihrem Weg durch die Organisationshierarchie der NASA eine merkwürdige Veränderung erfahren: Sie wurden immer verständlicher, einfacher und weicher.
Was aber fast noch bemerkenswerter war: Tufte fand heraus, dass die Illusion, eine »Information« zu bekommen, die Kreativität und Diskussionsbereitschaft gelähmt hatte. Die Ingenieure an der Basis hatten in mehreren Hundert E-Mails die Probleme geschildert, und zwar in vollständigen Sätzen, mit logischen Satzteilen. Erst die Übersetzung der Erkenntnisse für die höheren Leitungsebenen der NASA
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