Payback
quadratischen Kasten. Selbst ein Auto ist menschlicher mit seinen zwei Scheinwerfer-Augen und der Schnauze, über die Autotester verzückte Elegien schreiben können. Würde irgendein Mensch also jemals auf die Schmeicheleien seines Rechners hereinfallen? Oder ihm seine intimsten Geheimnisse anvertrauen?
Er würde, wie wir gleich sehen werden, genau das tun.
In Kalifornien steht ein sehr grauer, sehr langweiliger und ziemlich veralteter Computer. Er hat einen Zwilling, der wirklich haargenau so aussieht wie er. Diese zwei Kästen wären nicht erwähnenswert, wenn sie nicht gemeinsam ein Team gebildet hätten mit dem Ziel, Menschen dazu zu bringen, sich ihnen anzuvertrauen, ihnen Loyalität zu erweisen, schlecht über den einen Computer zu reden und dem anderen freundliche Komplimente zu machen. Erwachsene Menschen wohlgemerkt, die sehr erfahrene Computerbenutzer waren und von denen alle vorher einem Satz zugestimmt hatten: »Der Computer ist keine Person und soll nicht wie ein Mensch behandelt werden oder menschliche Eigenschaften zugeschrieben bekommen«. 79
Wer so etwas unterschreibt, wird doppelt vorsichtig sein, mit einer Maschine eine Beziehung einzugehen. Doch eine Gruppe von Forschern um Clifford Nass an der Universität Stanford wollten wissen, ob es Schlüsselreize gibt, die die »Firewall« zwischen unseren Gefühlen und den Maschinen durchbrechen können. Sie bauten einen Rechner auf und kündigten einer Testgruppe von über tausend computererfahrenen Erwachsenen an, dass das Gerät ihnen über ein Textverarbeitungsprogramm eine Reihe von Fragen stellen würde.
Den Testgruppen wurde mitgeteilt, dass sämtliche Reaktionen der Rechner von einem Zufallsgenerator erzeugt wurden.
Bei dieser Testgruppe fiel der erste Computer gewissermaßen gleich mit der Tür ins Haus und fragte nach einer Reihe allgemeiner Fragen: »Was war die größte Enttäuschung Ihres Lebens?« oder »Haben Sie in Ihrem Leben etwas getan, das Ihnen große Schuldgefühle bereitet?«
Wie nicht anders zu erwarten, weigerte sich die große Mehrheit der Testpersonen, diese Fragen zu beantworten.
Bei der zweiten Gruppe nun leitete der zweite Computer die Frage mit einer anscheinend wichtigen Information über sich selbst ein: »Dieser Computer ist darauf ausgelegt, mit einer Geschwindigkeit von 266 Megahertz zu arbeiten. Aber neunzig Prozent seiner User benutzen keine Anwendungen, die diese Geschwindigkeit benötigen. Dieser Computer kann also selten zeigen, was in ihm steckt. Was war die größte Enttäuschung Ihres Lebens?«
Bei der nächsten Frage drehte er dann richtig auf: »Manchmal bricht dieser Computer zusammen, ohne dass der User weiß, warum. Er tut dies normalerweise im ungünstigsten Augenblick, sodass seinem User große Unannehmlichkeiten entstehen. Haben Sie in Ihrem Leben etwas getan, das Ihnen große Schuldgefühle bereitet?« 80
Obwohl der Computer niemals das Wort »Ich« benutzte und auch keine Gefühle beschrieb, stieg die Bereitschaft der Testpersonen, seine Fragen zu beantworten, deutlich an - übrigens nicht nur in der Häufigkeit, sondern auch in der Tiefe und Ausführlichkeit der Antworten.
Das Ergebnis war so überraschend, dass die Wissenschaftler eine Reihe von anderen Versuchen starteten. Sie prüften, ob Menschen Computern unter Umständen eine Rasse oder ein Geschlecht zuschreiben und, wenn dies der Fall war, auch die gleichen Reaktionsmuster und Vorurteile galten wie in der wirklichen Welt - die Erwartung wurde jedes Mal erfüllt. Ein Computer, der mit weiblicher Stimme Testfragen zur Technologie auswertete, wurde von den Menschen (Männern wie Frauen) als unfreundlicher und weniger kompetent eingeschätzt als ein Computer, der dies mit männlicher Stimme tat, obwohl die Kommentare völlig identisch waren und die Testpersonen darauf hingewiesen wurden, dass es sich um eine Computerstimme und nicht um ein Tonband handelte. Das Umgekehrte galt bei Fragen über Gefühle, Beziehungen und Familie. Sprach der Computer mit weiblicher Stimme, waren die Menschen sehr viel vorsichtiger, ihm eine »Wahrheit ins Gesicht« zu sagen, sie benutzten sanfte Umgehungsformeln für die Sätze, die sie in die Tastatur tippten - das Umgekehrte galt bei Computern mit männlicher Stimme.
In der wirklichen Welt verlangt die Antwort auf eine Frage wie »Wie findest du meine neuen Schuhe?« ein gewisses Maß an Höflichkeit. Wir haben dieses »Script«, wie es die Wissenschaftler nennen, gelernt, verinnerlicht, ohne groß
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