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darüber nachzudenken.
Aber - würde sich dieser Automatismus ebenfalls einstellen, wenn ein Computer eine persönliche Frage stellte?
Clifford Nass und sein Team ließen ihre oben beschriebenen Testgruppen von zwei Computern nach der eigenen Computer-Leistung und der Leistung des anderen Computers befragen. Das Ergebnis war, dass die Menschen sehr viel freundlicher antworteten, wenn der Computer über sich selbst Auskunft wünschte, aber weniger zurückhaltend waren bei ihrer Meinung über den anderen, völlig identischen Rechner.
»Mit anderen Worten«, schreibt Nass verblüfft: »Menschen sind freundlich zu Computern!« 81 Und nicht nur das: Ein weiterer Test zeigte, dass Menschen sogar bereit waren, dem Computer zu helfen (beim Zusammensetzen von Bildern), wenn dieser vorher - scheinbar - hilfsbereit gewesen war. War er es nicht, zeigten ihm die Probanden hingegen die kalte Schulter.
Ein anderes Team koreanischer Wissenschaftler ging der Frage nach, ob Computer Menschen durch Schmeicheleien beeindrucken können. Sie konfrontierten Studenten mit einem Computer, der mit ihnen »Wer wird Millionär?« spielen wollte. 82
Nach jeder Antwort klärte der Rechner den Studenten darüber auf, ob sie die Frage richtig oder falsch beantwortet hätten, wobei der Clou darin bestand, dass diese Bewertung völlig zufällig erfolgte, weil der Computer - wie die Probanden wussten - die richtige Antwort auch nicht kannte.
Allerdings machte die Maschine Unterschiede. Bei der ersten Gruppe verkündete sie nur nüchtern »richtig« oder »falsch«, bei der zweiten Gruppe fing sie an, die Studenten zu loben, mit Schmeicheleien wie »Exzellent!«, »Ihre Kenntnisse sind bewundernswert« usw. Das Ergebnis war eindeutig. Obwohl kein Zweifel darüber bestehen konnte, dass die Rechner die Richtigkeit der Antworten überhaupt nicht beurteilen konnten, sprach die »geschmeichelte« Gruppe ihrem Computer geradezu eine Form von Menschenliebe zu. Sie fanden sie vertrauenswürdig, freundlich und sogar: attraktiv.
Man muss kein Psychologe sein, um zu sehen, worum es hier geht, auch wenn es wenig schmeichelhaft für unser Ego ist. Wir lieben es, uns als denkende Wesen zu sehen, die nur von der bösen Medien- und Kommunikationswelt von tiefsinnigen Gedanken abgehalten werden. Wer weiß, was der Menschheit entgangen ist, weil man zur falschen Zeit und am falschen Ort die falsche E-Mail las.
Die Frage, um die wir uns kümmern müssen, lautet aber nicht, was wir tun, wenn wir denken, sondern was wir tun, wenn wir
nicht
denken. Was geschieht, wenn wir routiniert auf Erfahrungen zurückgreifen, ohne über sie nachzudenken? Mit anderen Worten: Was geschieht, wenn unsere Aufmerksamkeit aufgefressen worden ist?
Die Antwort, wie es so weit kommen kann, dass denkende Menschen auf Schmeicheleien von Computern hereinfallen, hat Huxley gegeben: Wir modernen Menschen
lieben
die Technologien. So sehr, dass wir werden wollen wie sie.
DIE VERWANDLUNG DES MENSCHEN IN MATHEMATIK
uch wenn die meisten Leute es gern anders hätten und sich anderen gegenüber in Kontaktanzeigen und im Facebook-Profil als spontan, unberechenbar, individuell, auf liebenswerte Art verrückt, auf besondere Weise geprägt, auf jeden Fall aber als
ganz speziell
und
anders als die anderen
beschreiben: Spätestens an dieser Stelle müssen wir akzeptieren, dass wir durch unsere Kommunikation mit Computern berechenbar werden. Und dass sich wesentliche Teile unser aller Verhalten offenbar bereits auf Algorithmen reduzieren lassen in der Manier: »Wer gern Bücher von Tom Wolfe liest und im Winter am liebsten nach Asien fährt, der schaut auch gern Kochsendungen und trägt am liebsten ökologisch.«
Natürlich sind viele dieser Algorithmen noch ungenau. Aber je mehr Informationen wir im Netz über uns preisgeben, desto präziser werden sie. Denn die Computer, genauer gesagt: die Software großer Firmen wie Facebook, Google, Yahoo oder Amazon, liest diese Informationen, sie ordnet sie und verarbeitet sie zu neuen Fragen. Diese Fragen sind im Augenblick meistens noch Konsumvorschläge, Erkundigungen, ob dieser Wein, dieses Buch, dieses Urlaubsangebot oder diese Kamera nicht genau das ist, worauf man sein Leben lang gewartet hat. Auch die Reaktion oder Nicht-Reaktion auf diese Fragen erzeugt weitere Daten, die die Algorithmen weiter und weiter verfeinern. Das ist nicht Orwell - denn diese Daten werden anonymisiert und nur von Robotern gelesen und ausgewertet, es ist eher der
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