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angewiesen, die von den Algorithmen aufbereitet wurden. Der Matthäus-Effekt ist das Erbgut des Internets und aller digitaler Technologien: Wer Traffic hat, bekommt mehr Traffic, die Information, die viel Aufmerksamkeit anzieht (gemessen an Links), bekommt noch mehr Aufmerksamkeit, an die sich wiederum andere über Rückkoppelungen (Kommentare oder sogenannte »Trackballs«) anschließen wollen. Und er betrifft keineswegs die Informationen allein, sondern ist die DNA der gesamten Industrie: von Google über Amazon bis Microsoft sind Giganten entstanden, denen gegeben wird, was anderen genommen wird.
Wieso akzeptieren wir das, ohne an der angeblichen Freiheit des Netzes auch nur im Entferntesten zu zweifeln? Weil wir glauben, dass die Wege und Straßen, die uns im Netz und mit den Computern verbinden, mehr oder minder zufällig sind. Schließlich sind wir es ja, die dem Link folgen oder - als aktive User - durch einen Kommentar oder eine Information Aufmerksamkeit auf uns ziehen. Allerdings ist die Grundannahme eine Illusion. Die Vernetzung der digitalen Welt ist sehr viel kontrollierter und bürokratischer, als das selbst politisch sensiblen Zeitgenossen bewusst ist.
Der Grund unserer Blauäugigkeit liegt darin, dass wir uns unsere Bewegungen im Netz wie einen Spaziergang durch eine Stadt vorstellen: von Zufällen geprägt. Nicht nur glauben wir, dass wir grundsätzlich unserem freien Willen folgen, sondern auch, dass die Verlinkungen und Verweise, der Traffic genauso zufällig ist wie im wirklichen Leben. Man surft in der virtuellen Welt, so wie man über einen Marktplatz geht, zufällig Leute trifft, Unbekannte sieht, ein Auto vorbeifahren hört und ein paar Vögel fliegen sieht. Wir sehen Menschen in verschiedener Größe, aber nur selten fällt irgendjemand wirklich aus dem Rahmen und die 2-Meter-Menschen sind die absolute Ausnahme. Alles ist zufällig, aber alles bleibt in einem gewissen Rahmen.
Lange Zeit glaubte man, dass das auch im Internet gilt: Angesichts der fast unendlichen Fülle an Websites würde jeder mehr oder minder seinen eigenen Vorlieben folgen, sich mit seinen Interessen verlinken und mit den Menschen, die er mag, sodass am Ende eine sehr zufällige, demokratische und unkontrollierbare Struktur entsteht. Auch die Wissenschaft war über Jahrzehnte überzeugt, dass sehr komplexe Netze zufällig sind und so unberechenbar wie das Leben selbst. Aber seit den Forschungen des Physikers Albert-László Barabási müssen wir umdenken.
Er hat herausgefunden, dass die
gesamte
Struktur des Internets, sowohl was die Websites und ihre Inhalte als auch was die Hardware, die Router und Verbindungsstellen angeht, Machtgesetzen (»power laws«) folgt. Die mächtigsten Verbindungsstellen, Google oder Yahoo, verfügen über eine astronomische Anzahl von Vernetzungen, während die meisten anderen im Vergleich dazu nur auf ein paar wenige kommen.
Man muss es sich so vorstellen: Wenn wir über den Marktplatz gehen, kommen ab und zu ein paar Menschen vorbei, die hundert Meter groß sind. 100 Und auf sie ist alles zugeschnitten, die Straßen und Cafés, und von ihnen hängt alles ab. Das hat gewichtige Folgen. Es bedeutet nämlich, dass selbst Millionen Kommentare, die eine bestimmte Meinung äußern, nicht mehr repräsentativ sein müssen.
Googles
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ist nicht nur eine Suchmaschine, sondern auch eine Machtmaschine. Er entscheidet mittlerweile über die Existenz von Menschen, Dingen und Gedanken.
Die Folgen dieses Effekts spüren alle, die damit beginnen, ihre Facebook-Accounts zu schließen, weil sie der Organisation eines ständig wachsenden Freundschaftsnetzwerkes nicht mehr gewachsen sind. Die Folge davon ist, dass man sozial nicht mehr exisitiert. Unfreiwillig deutlich haben das eine Reihe von Bloggern ausgesprochen, die im September 2009 ein Internet-Manifest veröffentlichten: »Links sind Verbindungen. Wir kennen uns durch Links. Wer sie nicht nutzt, schließt sich aus dem gesellschaftlichen Diskurs aus«.
Das war womöglich anders gemeint, aber es zeigte, dass unsere schöne neue Informationswelt von den Überlebensgesetzen Charles Darwins beherrscht wird.
Informavores rex - Der König der Informationsfresser
Entgeistert schauten unsere Vorfahren vor 120 Jahren in zoologische Lehrbücher, als Darwin als Erster die Abstammung des Menschen vom Tier verkündete.
Wir sollten heute in Lehrbüchern der Informatik nachschauen, wenn wir etwas über unsere geistige Abstammung erfahren wollen.
Es war
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