Payback
Aufmerksamkeit, die wir der neuen Information widmen, muss sich bezahlt machen. Tut sie das nicht, verhungern wir.
Allerdings haben wir, die Jäger der Informationsgesellschaft, mit unserem Jagdverhalten einen gravierenden Nachteil im Vergleich zu den wilden Tieren: Unsere Instinkte funktionieren zusehends schlechter, da die Ablenkung immer größer wird. Wir sind wie der domestizierte Löwe, der Mäuse jagt, weil er nie sicher ist, ob sich nicht doch ein Büffel in ihnen versteckt. Deshalb bewegen wir uns in der Informations-Nahrungskette mit unersättlichem Hunger, immer in Gefahr, unsere Aufmerksamkeit und Energie für nichts und wieder nichts zu verschwenden.
Wir modernen Menschen stehen ständig vor der Frage: Ist diese oder jene Information wert, gelesen zu werden, oder frisst sie unsere Aufmerksamkeit (unsere Energie) auf, ohne dass wir von ihr profitieren?
Achten Sie darauf, wenn Sie das nächste Mal im Zentrum aller Informationsangebote von Internet, Handy und E-Mail stehen: Das Problem ist nicht, dass keine Nahrung da ist. Das Problem ist, dass wir niemals wissen, was uns diese Informationen jeweils an Aufmerksamkeit kosten und ob wir nicht auf Dauer ein Minus-Geschäft machen, das zu Auszehrung, Vergesslichkeit und dem Gefühl allmählicher Verblödung führt.
Witterung und Futtersuche
Evolutionsbiologen und Ökologen haben bereits in den sechziger Jahren mathematische Modelle entworfen, die die optimale Vorgehensweise berechnen, mit der ein Raubtier in einer unübersichtlichen Umgebung nach Beute sucht. Peter Pirolli macht nichts anderes, als diese Modelle, die wie ökonomische Formeln zur Gewinnsteigerung aussehen, in die Software zu übertragen. Welchen »Duft« muss beispielsweise die Information verströmen, damit wir ihre Witterung aufnehmen?
Die Informatiker bedienen sich für den »Duft« ihrer Informationen mathematischer Modelle. Sie benutzen dabei weitverbreitete und anerkannte Verfahren der Psychologie, die auf der computerbasierten Simulation von geistigen Prozessen bei Planung, Lernen, Wahrnehmung und Sprache beruhen.
Im Ergebnis, so Pirolli, berechnen sie, wie der Geist Vorstellungen und Assoziationen miteinander verbindet: »Der leichte Hauch eines Parfüms erinnert Sie an Ihre Freundin, dann an den Anlass, als sie es trug, den Geschmack des Weines, den Sie tranken und so weiter. Ein Reiz, das Parfüm, weckt eine gleichsam schlafende Vorstellung in Ihrem Kopf…
»In den letzten 35 Jahren haben wir gelernt, eine mathematische Theorie zu entwickeln, wie das genau funktioniert. Wir haben computergestützte Techniken, die uns erlauben herauszufinden, wie Reize in der Welt Vorstellungen im Kopf erzeugen und wie jede Vorstellung eine andere auslöst. Für die Kommunikation zwischen Mensch und Computer berechnen wir, wie bestimmte Schlüsselreize, zum Beispiel auf Websites, Vorstellungen im Hirn erzeugen und welche Schlüsse der Benutzer aus diesen Assoziationen zieht.
»Das Faszinierende ist, dass wir jetzt Software schreiben können, die Modelle unserer Assoziationen und unseres Gedächtnisses berechnen und dadurch Vorhersagen darüber machen können, wie Menschen auf bestimmte Reize am Computer reagieren.« 102
Entscheidend für alle, die Informationen senden und diejenigen, die sie empfangen, ist die Frage, wie unter den Millionen von Nachrichten und Informationen die richtige es schafft, zu uns durchzudringen. Wir wollen nicht alle Hotels, sondern das eine, das zu unseren Vorstellungen passt. Wir wollen nicht alle Kommentare, sondern den einen, der uns die Augen öffnet.
Informationshungrige Menschen erwarten, dass jeder Klick ihnen das Gefühl gibt, ihrem Ziel näher zu kommen.Wenn die Seite, die der Klick aufruft, sie unsicherer macht oder ihnen gar das Gefühl vermittelt, im Kreis zu laufen oder gar sich von der Beute zu entfernen, werden sie die Jagd nach dieser Beute aufgeben und sich eine andere suchen.
Die Information, die uns per E-Mail, SMS oder Twitter erreicht, und die Information, die wir im Netz suchen, konkurrieren dabei mit allen Informationen, die wir in der wirklichen Welt aufnehmen. Aber seit ungefähr zwei Jahren, mit der dramatischen Zunahme der neuen Informationstechnologien, beginnen die virtuellen Informationen die der wirklichen Welt zu überrunden, mehr noch: Sie können sich die unliebsame Konkurrenz aus der wirklichen Welt immer besser vom Hals halten - wenn der Körper beispielsweise die Information sendet, dass drei Stunden am Bildschirm genug sind
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