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und immer schnellere Informa-tionen so wichtig - weil der Bestinformierte einen Vorteil davon hat. Das gilt für den Nachrichtenkonsumenten, den Banker, den Politiker ebenso wie für das Facebook-Mitglied. Der Vorteil liegt auf der Hand: Es gibt Wissenschaftler, die ihre besten Informationen durch Links bei »Twitter« bekommen.Wir schaffen neuartige soziale Netzwerke ja deshalb, weil wir glauben, dass der Austausch von Informationen Vorteile bringt und »zur Stärkung sämtlicher sozialer Beziehung beitragen« kann. 97
Wer weiß, wo die Butter billiger ist, hat einen Vorteil vor dem, der es nicht weiß.Wer weiß, dass Öl teurer wird, kauft rechtzeitig seinen Heizvorrat.Wer weiß, dass er bei Ebay das Kaffeeservice seines Lebens ersteigern kann, kann zuschlagen.Wer weiß, was in Kundus los ist oder wo eine neue wissenschaftliche Arbeit veröffentlicht wurde, kann sich mit diesen Informationen befassen und Auswirkungen auf sein eigenes Leben überdenken. Das ist freilich nicht mehr die Regel. Denn ganz anders sieht es aus, wenn unsere Aufmerksamkeit gelenkt wird, wenn wir eine Information nicht deshalb zur Kenntnis nehmen, weil sie uns wichtig ist, sondern weil sie anderen wichtig ist. Die Tatsache, dass immer mehr Menschen den Eindruck haben, nicht mehr zwischen wichtigen und unwichtigen Informationen unterscheiden zu können, lässt sich unmittelbar auf die neuen Technologien zurückführen.
Was ist an der Information, dass Boris Becker wieder geheiratet hat, so bedeutsam, dass sie uns einen Vorteil bringt? Sie gehört zu den Informationen, die für Menschen einen statistischen Wert haben. Wer weiß, dass gerade auf jedem zweiten Blog, in jeder Fernsehsendung und in den Zeitungen über die neuen Eskapaden von Paris Hilton berichtet wird, glaubt zu wissen, was die Welt, in der er lebt, beschäftigt. »Ich muss zwar nicht genau wissen«, sagte Daniel Hillis, »warum Paris Hilton so berühmt ist. Aber ich kann an der Gesellschaft nicht wirklich partizipieren, wenn ich nicht weiß,
dass
sie berühmt ist.« 98
Das Problem liegt darin, dass die Suchmaschinen und News-Roboter, aber auch die Software der sozialen Netzwerke diesen Prozess verselbstständigen. Googles berühmter
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, das Herz der Suchmaschine, ist ein Verfahren, das die Popularität einer Seite oder einer Nachricht dadurch misst, wie viele Links auf diese Seiten verweisen. Je mehr Links, desto höher wird sie gewichtet. Gehören diese Links selbst zu überdurchschnittlich gewichteten Seiten, steigt die Bewertung noch stärker an. Das Ergebnis sieht jeder, der die Suchmaschine nutzt. Man kann sagen, dass
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Informationen mit einer Art Sozialprestige ausstattet: Auf wen gehört wird (die Links), der hat etwas zu sagen. Dabei ist den Algorithmen egal, was er sagt. Für Paris Hilton heißt das: Google kann nicht erklären, warum sie berühmt ist, aber weiß, dass sie berühmt ist und macht sie mit diesem Wissen noch berühmter. Der Philosoph Alexander Galloway hat darauf hingewiesen, dass
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eine »hochpolitische Technologie« ist. Beim
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entscheidet sich die Frage, wie Wissen mit Macht verbunden ist.
Der dramatische Effekt, der durch Technologien wie
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eintritt, ist der »Matthäus-Effekt«. Der Name leitet sich aus den sprichwörtlich gewordenen Sätzen des »Neuen Testaments« ab: »
Denn wer da hat, dem wird gegeben werden, dass er Fülle habe; wer aber nicht hat, von dem wird auch genommen, was er hat
.« Mt. 25,29.
So zeigte der amerikanische Soziologe Robert Merton, dass bekannte wissenschaftliche Autoren immer berühmter werden, weil sie häufiger von anderen zitiert werden als unbekannte Autoren - selbst wenn diese womöglich zu den gleichen Ergebnissen gekommen sind. Das ist der Grund, warum beispielsweise Preise und Auszeichnungen überproportional immer an die gleichen Personen gehen. 99
Seit Merton im Jahre 1968 dieses Phänomen an wissenschaftlichen Veröffentlichungen demonstriert hat, vergeht kein Jahr, in dem nicht in allen Lebensbereichen die Wahrheit des biblischen Satzes nachgewiesen wird. »Die Reichen werden reicher, die Armen ärmer« gilt bei Muskelaufbau und Denkvermögen, im Sport, in der Ökonomie, bei der Gesundheit, überall dort, wo die Gesetze der Evolution herrschen - und auch bei den erstaunlichen Karrieren von den Beatles bis Bill Gates, denen Malcom Gladwell mit seinen »Überfliegern« ein eigenes Buch gewidmet hat.
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