Peacemaker

Waffe aus dem Geräteschrank genommen, anstatt Gideon mit einer unhandlichen Stahlkiste anzugreifen.
    Die Kiste.
    »Was war in der Kiste?«, fragte Gideon. Ihm kam in den Sinn, dass sich das, was die Terroristen auf die Bohrinsel geschmuggelt hatten, jetzt vermutlich in dem Geräteschrank befand. »Anscheinend war es nicht die Bombe. Also, was war es dann?«
    Timken ignorierte seine Frage und sagte: »Die Bombe tickt. Wenn wir hierbleiben, sterben wir beide. Ich kann die Bombe entschärfen. Aber ich werde es nicht tun, während Sie mir eine Kalaschnikow an den Kopf halten.«
    Auf der LED-Anzeige der Bomben-Fernsteuerung stand 03:10:41 zu lesen. Die Zeit lief ab.
    Dann hörte Gideon ein Poltern. Es klang, als käme es aus dem Geräteschrank.
    »Was ist in dem Schrank?«, fragte Gideon.
    Timken warf abermals einen Blick auf den Geräteschrank, dann sah er Gideon mit einem sarkastischen Grinsen an. »Mir ist eingefallen, dass ich meine Krankenversicherungskarte da drin vergessen habe«, sagte er. »Das Leben birgt heutzutage so viele Risiken, dass ich mich ohne sie irgendwie nackt fühle.«
    Aus dem Geräteschrank war erneut ein Poltern zu hören.
    »Wissen Sie was?«, sagte Timken. »Wenn Sie die Hände hochnehmen und hier rüberkommen, weg von der Kalaschnikow, dann schalte ich den Zünder ab. Waffenstillstand, okay? Wir sind beide unbewaffnet, quitt, niemand hat einen Vorteil, niemand wird verletzt. Einverstanden?«
    Gideon hatte keinen Plan. Aber ihm war klar, dass ein Waffenstillstand mit dieser Schlange böse enden würde. »Ich glaube Ihnen nicht«, sagte Gideon.
    In diesem Augenblick flog die Tür des Geräteschranks auf, und eine Gestalt stolperte in den Raum. Sie war bekleidet wie Timken und seine Männer: mit einem ausgeblichenen Kampfanzug aus nicht zusammenpassenden Teilen und Springerstiefeln. Außerdem trug der Mann ein Pistolenhalfter aus schwarzem Leder an der Hüfte, das gleiche wie Timken. Im Gegensatz zu Timken waren dem Mann die Hände mit Kunststoffhandschellen auf den Rücken gefesselt worden, und sein Kopf war mit einer schwarzen Haube verhüllt. Der Mann stieß einen gedämpften Schrei aus, der klang, als sei er unter der Kapuze geknebelt.
    »Scheiße«, sagte Timken.
    Der Mann machte einen Satz in die Richtung, aus der Timkens Stimme kam, und senkte dabei seinen vermummten Kopf wie ein Stier.
    Timken drehte sich zu dem Angreifer um, stemmte sich aber weiterhin gegen die Stahlkiste, sodass Gideon sich nicht bewegen konnte.
    Timken versuchte, dem Mann einen Tritt zu verpassen, dem es jedoch gelang, Timken den Kopf in die Brust zu rammen. Durch den Aufprall verlagerte sich Timkens Gewicht ein wenig, sodass Gideon den Spielraum bekam, den er benötigte, um hinter der Kiste herausschlüpfen zu können.
    Als Timken sah, dass Gideon im Begriff war, sich zu befreien, gab er der Kiste einen letzten Stoß, dann hechtete er zu der Kalaschnikow, die neben dem toten Bombenbauer auf dem Boden lag.
    Gideon stolperte leicht, als ihn die Ecke der Kiste schmerzhaft links an der Hüfte traf. Genau genommen handelte es sich nicht einmal um ein Stolpern, sondern nur um einen stockenden Schritt. Doch es genügte, um ihn abzubremsen. Timken gelangte einen Sekundenbruchteil früher bei der Kalaschnikow an als Gideon. Er packte sie mit der rechten Hand am Griff und mit der linken an der vorderen Holzummantelung. Gideon bekam sie mit beiden Händen am Schaft zu fassen, doch sein Hebel war nicht günstig. Timkens Finger fand den Abzug, und er drückte den Lauf langsam herum.
    Hinter Timken stöhnte der Mann mit Kapuze. Timken warf einen Blick über seine Schulter. Das war genau die Unterbrechung, die Gideon brauchte.
    Er griff nach unten zu dem toten Bombenbauer, nahm eine Spitzzange aus dessen Weste und rammte sie Timken in den Hals.
    Timken schrie auf und fasste sich an den Hals. Er versuchte, etwas zu sagen, doch seine Worte wurden von einem Schwall Blut erstickt, der aus seinem Mund quoll. Er taumelte rückwärts und stieß dabei die Kiste um, die auf den Mann mit Kapuze fiel. Timken zog sich die Zange aus dem Hals, die Augen vor Panik geweitet, dann rutschte er in seinem eigenen Blut aus, fiel auf die Kiste und hörte auf, sich zu bewegen.
    Gideon ging um Timken herum, schob die Kiste von dem auf dem Bauch liegenden Mann und riss ihm die Haube vom Kopf. Der Mann war mit mehreren Lagen blutverschmiertem Klebeband geknebelt, und seine Bekleidung sowie sein bärtiges Gesicht waren ebenfalls voller Blut, das seine