Peacemaker
wird die Obelisk in den kommenden fünfzehn Stunden in Wolken gehüllt sein.«
Gideon zählte eins und eins zusammen. Wenn der Taifun wieder abgezogen war, würden die Geiseln tot sein.
Der Präsident fügte rasch hinzu: »Aber möglicherweise wird es ein kurzes Zeitfenster geben, in dem wir handeln können.«
»Wie?«
»Angenommen, das Auge des Sturms zieht genau über die Bohrinsel. Für den Fall wird eine Delta-Force-Einheit mit Fallschirmen auf dem Deck der Bohrinsel landen. Die Männer brechen gerade von Hawaii auf.«
Gideon brauchte einen Moment, um den Bericht des Präsidenten zu verarbeiten. Wenn sich Tillman auf der Bohrinsel befand, würden sich die Delta-Force-Soldaten nicht damit aufhalten, ihn gefangen zu nehmen. Sie würden ihn töten.
»Eventuell gibt es noch eine andere Möglichkeit, Mr President«, sagte Gideon.
»Eine andere Möglichkeit?«, erwiderte der Präsident zweifelnd.
»Erlauben Sie mir, dass ich mich selbst dorthin begebe.«
»Wohin begeben? Auf die Bohrinsel?«
»Ja, Sir. Lassen Sie mich mit ihm sprechen.«
»Ihr Bruder hat sehr deutlich gemacht, dass er nicht bereit ist zu verhandeln.«
»Mir gegenüber nicht. Vielleicht kann ich ihn zur Vernunft bringen, wenn wir uns gegenüberstehen.«
»In Gottes Namen, Gideon, Ihr Bruder hat versucht, Sie umzubringen.«
Gideon antwortete nicht, da ihn die nüchterne Wahrheit verstummen ließ. »Außerdem«, fuhr der Präsident fort, »würden Sie es niemals dorthin schaffen, selbst wenn ich Ihnen die Befugnis erteilen würde. Wie ich Ihnen bereits gesagt habe, wird die Bohrinsel in Kürze von einem Taifun der Kategorie fünf verschluckt werden.«
»Lassen Sie mich wenigstens versuchen, dorthin zu gelangen. Bei allem Respekt, Sir, aber ich glaube, diese Chance habe ich mir verdient.«
Dieses Mal war der Präsident derjenige, der schwieg. »Was auch immer mit meinem Bruder los ist, es gibt da irgendwas, das wir übersehen haben, irgendeinen Grund für die Geschehnisse, der uns bislang verborgen geblieben ist. Ich bin noch nicht dahintergekommen, worum es sich handelt, aber das werde ich noch.«
Der Präsident antwortete noch immer nicht. Also legte Gideon seine restlichen Karten auf den Tisch. »So wie ich es sehe, Mr President, werden Sie von McClatchy und seinen Kongresskumpanen und offen gesagt auch von den meisten Leuten, die Sie ins Amt gewählt haben, in eine unmögliche Situation gedrängt werden. Sie werden gezwungen sein, einen Krieg zu führen, den Sie gar nicht führen möchten. Es hat keinerlei Nachteile, wenn Sie mich einen Versuch unternehmen lassen.«
Als der Präsident schließlich antwortete, klang seine Stimme schwach und brüchig. »Also gut. Wenn Ihr Bruder bereit ist, mit Ihnen zu sprechen, haben Sie meinen Segen.«
Gideon starrte aufs Meer hinaus, über dem tief und bleiern der Himmel hing. Riesige Wellen donnerten gegen die Mole am Ende der Bucht. Doch es regnete nicht, und der Wind war nicht allzu stark. »Vielen Dank, Sir.«
»Viel Glück«, sagte der Präsident, dann legte er auf.
»Dieses Boot?« Der Bootsführer warf seine Zigarette ins Meer. »Wo das Boot ist, da bin ich auch.« Er legte am Kai auf der anderen Seite des Kanals an. Mehrere Soldaten der Nationalgarde sprangen an Bord. Einer von ihnen, ein Sanitäter, brachte eine Kompresse an Simpsons Bein an.
Als die Soldaten Simpson aus dem Boot hoben und zu ihrem gepanzerten Fahrzeug trugen, nickte dieser Gideon kraftlos zu und wünschte ihm viel Erfolg. Noch bevor Gideon etwas erwidern konnte, gab der Bootsführer Vollgas, und das Boot schoss vom Pier weg.
EINUNDZWANZIGSTES KAPITEL
Der Motorenlärm war ohrenbetäubend, als das Boot aus der Bucht hinaus und in die haushohen Wellen des Südchinesischen Meers raste.
Der Bootsführer steuerte mit einer Hand, während er mit der anderen an einem Knopf des Funkgeräts drehte. In seinem Mundwinkel hing eine frisch angezündete Zigarette. »Setzen Sie den Kopfhörer auf, Sir.«
Gideon setzte den grünen Kopfhörer auf.
»Die Funkverbindung steht.«
Gideon drückte mit dem Daumen auf den Kopf am Mikrofon. »Hier spricht Gideon Davis. Ich rufe die Obelisk. Können Sie mich hören?«
Gideon ließ den Knopf wieder los. Bei dem Dröhnen der Motoren und dem Heulen des Winds über dem Cockpit war das Rauschen aus dem Funkgerät kaum zu hören.
»Obelisk, können Sie mich hören?«
Dieses Mal drang eine Stimme aus dem Kopfhörer, die von dem Rauschen allerdings fast übertönt wurde. »Hier ist die
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