Peacemaker
war, warf die Flamme ein unheimlich flackerndes Licht auf die Bohrinsel, dem es kaum gelang, den peitschenden Regen zu durchdringen. Die Brücke würde so schnell niemand überqueren können. Allerdings würden die Terroristen irgendwann dahinterkommen, wie man den Gashahn abdreht, oder der Vorratstank war irgendwann leer. So oder so würden sie letzten Endes auf die Nebenplattform kommen und nach ihr suchen.
Die gute Nachricht lautete, dass sie sich bis dahin frei bewegen konnte.
Die Dschihadisten hatten aufgehört zu schießen. Momentan saß sie jedoch hinter einem Doppel-T-Stahlträger fest, und ihre Hände waren noch immer mit flexiblen Kunststoffhandschellen gefesselt. Wenn sie dort wartete, bis das Gasleck versiegte und die Flamme erlosch, würde sie schließlich geschnappt werden. Man konnte nicht wissen, wie viel Gas sich im Vorratstank befand. Seine Gesamtkapazität betrug etwa fünfhundertfünfzig Kubikmeter, aber in der Regel pumpten sie das Gas direkt in das Reservoir A auf der Nebenplattform. Deshalb enthielt der Tank womöglich nur hundert Kubikmeter. Die Flamme verbrauchte vermutlich ungefähr drei Kubikmeter Gas in der Minute. Ihr blieb also bestenfalls eine gute halbe Stunde, bevor die Stichflamme erlöschen würde.
Auf der anderen Seite hörte sie Stimmen, die Englisch miteinander sprachen. Sie verstand nicht alles, was gesagt wurde, hörte aber das Wort »Transferventil« heraus. Allem Anschein nach hatten die Dschihadisten jemanden mitgebracht, der Erfahrung auf Bohrinseln hatte. Offenbar hatten sie vor, den Gashahn ausfindig zu machen und ihn abzudrehen.
Sie blickte nach links. Die Tür zur Haupttreppe der Nebenplattform war nur etwa vier Meter von ihr entfernt. Ihr war bewusst, die Dschihadisten warteten nur darauf, dass sie sich bewegte, um ihr eine Kugel verpassen zu können. Einen Augenblick lang erstarrte sie, und ihr ganzer Körper steckte in einer Zwangsjacke der Angst. Sie wollte auf keinen Fall sterben.
Doch sie musste irgendetwas tun. Ihre Leute befanden sich da drüben, und momentan war sie die einzige Person, die eine Chance hatte, ihnen zu helfen. Wenn sie tot war, würde sie ihnen allerdings nicht helfen können. Sie musste irgendwo Schutz suchen, um ihre Gedanken zu ordnen und einen Plan zu schmieden.
Konnten die Dschihadisten sie in der zunehmenden Dunkelheit sehen? Sie war sich nicht sicher. Als sie zur Tür huschte, wurde ihre Frage beantwortet: Von der Bohrplattform wurden Schüsse abgefeuert, die von der Trennwand abprallten. Es hörte sich an, als würde jemand mit Schraubenschlüsseln nach ihr werfen.
Und dann befand sie sich hinter der Trennwand, stürzte und schlug einen schmerzhaften Purzelbaum.
Das Gewehrfeuer verstummte.
Sie rannte die Treppe zum D-Deck hinunter, dann stieß sie die grüne Tür auf, die mit einem riesigen »D« beschriftet war. Sämtliche Wände auf dem D-Deck waren grün gestrichen. Überall schlängelten sich Rohre. Im Gegensatz zu den anderen Decks verfügte das D-Deck über keinerlei festen Boden. Stattdessen bestand der »Fußboden« aus einem engmaschig geschweißten Stahlgitter, durch das man direkt aufs Wasser hinuntersehen konnte.
Nachdem Kate den Großteil ihres Erwachsenenlebens auf Bohrinseln zugebracht hatte, konnte sie starker Seegang normalerweise nicht aus der Ruhe bringen. Doch solche Wellen hatte sie noch nie erlebt. Aus ihrem Blickwinkel war die Sicht auf den Horizont versperrt und das Wasser nicht perspektivisch zu sehen. Da sie senkrecht nach unten blickte, konnte sie die Wellen selbst nicht erkennen. Es hatte den Anschein, als befände sich unter ihr ein riesiger dunkler Aufzug aus Wasser, der sich ihr näherte und sich anschließend wieder senkte.
Normalerweise betrug der Abstand zwischen dem untersten Deck der Bohrinsel und der Meeresoberfläche knapp achtzehn Meter. Deshalb wusste sie, dass sie sich deutlich außerhalb der Reichweite der Wellen befand. Trotzdem hatte sie jedes Mal, wenn sich die Wassermassen hoben, den Eindruck, als würden sie ansteigen, bis sie durch den Boden quollen.
Als sie aufblickte, sah sie aus dem Augenwinkel etwas, das ihre Aufmerksamkeit erregte. Einen Moment lang war sie sich nicht sicher, worum es sich dabei handelte. Ein dunkler Fleck inmitten der weißen Gischt.
Als sie den Blick darauf richtete, war er wieder verschwunden. Sie suchte die Wasseroberfläche ab. Hatte sie sich alles nur eingebildet? Dann war er wieder da: Als sich das Wasser senkte, entdeckte sie einen Mann. In der
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