Pech und Schwefel (German Edition)
grausame Wahrheit aus und beugte sich zu den Ermordeten hinab, die sie inzwischen am Rand der Ruine im Gras aufgereiht hatten. Seine Männer folgten seinem Beispiel und es legte sich eine gespenstische Stille über die Gruppe.
»Sind schon Kundschafter auf den Weg nach Zyrakar?«, erkundigte sich Kommandant Malor, nachdem er sich wieder etwas gefasst hatte.
»Bereits in der Nacht haben sich Soldaten auf den Weg gemacht«, antwortete sein Stellvertreter. »Wenn sie nicht aufgehalten werden, müssten die schrecklichen Nachrichten spätestens morgen den Hohepriester von Zyrakar erreichen.«
»Wie wird unser Oberhaupt auf den Tod seines Bruders reagieren?«, fragte sich Malor und schüttelte seufzend den Kopf. »Besonders jetzt. Erst vor kurzem verstarb seine eigene Frau im Kindbett. Und nun ist sein Bruder und die gesamte Familie durch den Mob umgebracht worden. Eine schreckliche Tragödie und ein heimtückischer Mord.«
»Dafür werden die Verräter büßen«, spie Rodas hasserfüllt aus, während er die blutverschmierten Hände zu Fäusten ballte.
»Das werden sie. Sie und alle Vaterlandsverräter«, fügte Malor hinzu. »Wieso nur, hat niemand den Warnungen der letzten Jahre Beachtung geschenkt. Es gab genug Anzeichen, dass sich Raukarii versammeln und gegen unseren Glauben und unsere Bräuche ins Feld ziehen wollten. Wieso nur?«
»Weil niemand dachte … vor allem der Hohepriester und der Stadtrat … dass sich daraus wirklich eine Widerstandsbewegung entwickelt. Wir selbst haben auch erst davon erfahren, als es zu spät war.«
»Ja, schon …« Malor seufzte. »Wir hätten aber etwas unternehmen können. Vorher.«
Rodas legte seinem Kommandanten und Freund eine Hand auf die Schulter. »Ich weiß es ist schwer. Auch mir schmerzt das Herz. Nicht nur unser geliebter Hohepriester musste sterben. Mit ihm auch so viele unschuldige Bürger unserer Stadt, darunter auch Kinder. Aber wir dürfen uns nicht geschlagen geben. Wir müssen jetzt mehr als zuvor unsere Stärke zeigen. Das Oberhaupt von Leven’rauka wird die Schuldigen zur Verantwortung ziehen und sie mit dem Tod bestrafen. Wir dürfen uns nicht von der Verzweiflung lenken lassen. Wir brauchen einen klaren Kopf.«
Malor holte tief Luft und nickte. Er wusste, dass sein Freund recht hatte. Er durfte nicht aufgeben. Die Identifizierung und Gefangennahme der Verräter hatte jetzt oberste Priorität. »Wurden schon Raukarii geschnappt?«, erkundigte er sich und versuchte seine Wut zu zügeln.
»Ja.« Rodas schenkte ihm ein trauriges Lächeln. Gleichzeitig rückte er seine verrutschte Augenbinde zurecht. »Slanor und seine Männer haben bereits über dreißig der Aufrührer aufgespürt und ins Gefängnis gebracht. Sie suchen weiter. Rias und ihre Männer sind dabei, die umliegenden Dörfer nach ihnen abzusuchen. Du wirst sehen. Lange können sich die Verräter nicht vor uns verstecken. Wir werden sie alle bekommen.«
»Das ist gut und schlecht«, gab Malor zu bedenken. Im selben Augenblick wies er seine Männer an, die Leichen dem Levenraukischen Brauch entsprechend in die mitgebrachten Leinentücher einzuwickeln. Anschließend sollten sie die Körper auf den Pferdekarren ablegen. Dann wandte er sich wieder Rodas zu. »Ich glaube, die restlichen Verräter haben sich längst nach Caress oder Deir al-Bahri abgesetzt. Beides Städte mit schlechtem Ruf. Sobald ich Gelegenheit bekomme, werde ich den Tod unseres Hohepriester persönlich rächen.«
»Deine Loyalität in allen Ehren«, antwortete Rodas und legte ihm besänftigend die Hand auf die Schulter. »Wir werden Ratlyr Anthyrs Urteil abwarten müssen. Außerdem ist Mayonta zurzeit führerlos. Nicht nur der Hohepriester, sondern auch die meisten Raukarii aus dem Stadtrat fielen dem Mob zum Opfer. Nur die Stadtwache … also wir … haben momentan die Kompetenz für Recht und Ordnung zu sorgen. Aber Rache sollten wir ohne Erlaubnis nicht ausüben. Verrate mir lieber, wieso du plötzlich so auf Rache erpicht bist?«
Malor schlug Rodas Hand weg, drehte sich um und schnappte laut nach Luft. Er wurde plötzlich von seinen Gefühlen überwältigt und wusste nicht, ob er antworten und wenn ja, wie er es ihm klarmachen sollte.
»Was hast du?«, wagte Rodas es nochmals. »Du bist doch sonst immer so unnahbar und nun …«
»Schweig einfach«, fauchte Malor, nur um einen Augenblick später sein Verhalten zu bereuen. Er wirbelte herum, und sah seinem Freund fest in die Augen. »Ich wollte das nicht …»
»Schon
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