Pechstraehne
verschwand schließlich in seiner Wohnung.
»Das verändert die Sachlage ganz eindeutig, Thilo«, stellte Lenz leise fest. »Jetzt darfst du tatsächlich dein Etui hervorkramen und uns die Tür öffnen.«
»Aber du stehst mit der Knarre in der Hand neben mir, mein Freund. Ich hab nämlich nicht die geringste Lust, von zwei jeweils zwei Meter großen Reinemachern mit einem Staubsauger in der Hand umgehauen zu werden.«
»Versprochen.«
Das eigentliche Öffnen des Schlosses dauerte nur wenige Sekunden. Hain, der ein paar Jahre zuvor das Seminar Gewaltfreies Öffnen von Schlössern bei Gefahr in Verzug belegt hatte, hatte trotzdem ein paar Schweißperlen auf der Stirn, als er seine Utensilien zurück in die Jacke schob und nach der Dienstwaffe griff. Lenz, der seine Pistole schon während der Aktion im Anschlag gehalten hatte, nickte angespannt.
Mit jedem Millimeter, den der Oberkommissar die Tür nach innen drückte, wurde das Geräusch des Staubsaugers wieder lauter. Dann war ein Spalt entstanden, durch den Hain schlüpfte und sofort den Bereich hinter der Tür und den Flur sicherte. Lenz kam hinter ihm her und sah sich kurz um.
Drei abgehende Türen, dazwischen ein mannshoher Spiegel, ein Garderobenschrank und ein paar Bilder. Alle Türen standen offen, das Geräusch des Staubsaugers näherte sich erneut von dem Zugang neben dem Spiegel. Die beiden traten einen Schritt auseinander, hoben ihre Waffen und erwarteten das Auftauchen einer Person, doch dazu kam es nicht. Was jedoch auftauchte, war ein kleiner, runder Saugroboter, der laut sirrend in den Flur rollte und kurz darauf die Beine der Beamten umkreiste.
»Scheiße«, murmelte Hain, bewegte sich vorwärts und sicherte den Raum, aus dem der Haushaltshelfer gekommen war.
»Hier ist niemand«, stellte er nach einem erstaunten Rundblick fest. »Aber hier war jemand, der etwas gesucht hat.«
Lenz war dabei, das Schlafzimmer zu überprüfen, im Anschluss nahm er sich Badezimmer und Esszimmer vor, jeweils mit dem gleichen, die Nerven beruhigenden Ergebnis. Sie waren allein in Nasif Yildirims Wohnung.
»Scheint so, als seien das keine Freunde von ihm gewesen, die hier aufgetaucht sind«, stellte Lenz im Angesicht des Chaos’ fest, das in der gesamten Wohnung herrschte. Sämtliche Schubladen waren aus den Schränken und der Anrichte gerissen und ihr Inhalt auf dem Boden verteilt worden, die Matratze hing schief neben dem Bett, weil offenbar jemand darunter etwas gesucht hatte, und mehrere Aktenordner lagen wild verstreut neben einem gläsernen Arbeitstisch, auf den Hain wies, nachdem er seine Waffe zurückgesteckt hatte.
»Da stand mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein Laptop. Man kann es an den Abdruckspuren der vier Gummifüße deutlich sehen.«
Lenz nickte zustimmend.
»Spätestens jetzt ist wirklich zu 100 Prozent klar, dass Markus Specht und dieser Yildirim nicht Opfer eines normalen Verkehrsunfalls geworden sind, sondern umgebracht wurden. Und wir brauchen die Spurensicherung hier.«
»Ich kümmere mich gleich drum.«
Der Blick des Oberkommissars war noch immer auf die leere Stelle am Schreibtisch gerichtet.
»Es scheint, als seien die EDV-Geräte und Datenträger von Mitarbeitern der Nordhessenbank für einige Zeitgenossen mächtig interessante Objekte.«
»Ja, den Eindruck kann man kriegen. Und wir sollten schleunigst herausfinden, warum das …«
»Hallo, Nasif?«, erklang eine Frauenstimme von der Wohnungstür. »Bist du zu Hause?«
Lenz trat auf den Flur und blickte in das wunderschöne, ebenmäßig geschnittene Gesicht einer blonden, etwa 30-jährigen Frau, die mit einem Schlüsselbund in der Hand am Eingang des Flurs stand.
»Was machen Sie hier?«, fragte sie beim Anblick des Polizisten erschrocken.
»Wir sind von der Kriminalpolizei«, gab der Kommissar mit einem Wink in Richtung Hain, der sich neben ihn gestellt hatte, zurück. »Das ist Oberkommissar Thilo Hain, und ich bin Hauptkommissar Paul Lenz.«
Er musterte die mit einem sehr kurzen Minirock und einer weißen Bluse bekleidete Frau.
»Und wer sind Sie, bitte?«
»Polizei? Ist etwas passiert? Mit Nasif?«
»Würden Sie zunächst meine Frage beantworten? Wer sind Sie und was haben Sie mit Herrn Yildirim zu tun?«
»Ich bin seine … eine … Arbeitskollegin. Wir sind Arbeitskollegen.«
»Eine Arbeitskollegin mit Wohnungsschlüssel?«, wollte Hain skeptisch wissen.
»Ist Nasif hier?«, fragte sie, ohne auf ihn einzugehen, zurück. »Ich versuche seit Stunden,
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