Pechstraehne
hätte sicher Stein und Bein geschworen, dass hier zwei Banker oder Berater auf dem Weg zu einem Termin waren. Das tat auch der Bedienstete an dem holzvertäfelten Tresen, der ihnen nur einen kurzen Blick zuwarf und sich dann wieder seinem Computermonitor widmete.
Der größere der Männer legte den Fingerknöchel des rechten Zeigefingers auf den mit einem roten Lichtring unterlegten Taster, woraufhin die Türen sich schlossen, und der Aufzug sanft, aber deutlich spürbar beschleunigte. Über ihren Köpfen rasten die Digitalanzeigen der einzelnen Stockwerke durch, bis sich die Geschwindigkeit schließlich verlangsamte und die Ziffer 28 auftauchte. Hier begegnete ihnen niemand, als sie den Fahrstuhl verließen und zielsicher auf eines der teuren, luxuriös eingerichteten Langzeitapartments zusteuerten. Dort angekommen, öffnete der kleinere seine Tasche, nahm ein an einen Multitester erinnerndes rotes Gerät heraus und befestigte es mithilfe eines Saugnapfes an der Tür. Dann traten die Männer ein paar Meter zur Seite, direkt vor ein Fenster mit Blick auf den gegenüberliegenden MainTower . Ein weiteres Gerät fand den Weg aus der Tasche, gefolgt von einer kleinen Kunststoffbox mit einem Paar hochwertiger In-Ear-Kopfhörer darin. Der Mann setzte die beiden Schallwandler in seine Ohrkanäle, verband das Kabel mit dem Gerät in der Hand und bedeutete seinem Kollegen mit der linken Hand, möglichst ruhig zu sein. Für etwa drei Minuten lauschte er angestrengt, wobei sein Blick hin und wieder auf die Uhr an seinem Arm fiel. Dann entfernte er die Kopfhörer und packte das Gerät zurück in die Tasche.
»38er Puls. Jede Wette, dass er schläft. Sonst nur die Geräusche von der Straße. Entfernung zum Ziel ungefähr vier Meter, vielleicht etwas mehr.«
»Richtung?«
»Etwa 30 Grad nach rechts.«
»Dann mal los, oder?«
»Ja, wir sollten keine Zeit verlieren. Wer weiß, was der Kerl noch für einen Quatsch anstellt.«
Damit griffen sie nach ihren Taschen, holten jeweils eine mit einem Schalldämpfer versehene Pistole heraus, machten einen letzten Funktionscheck und traten dann zurück an die Tür, wo der kleinere Mann das zuvor angebrachte Utensil geräuschlos entfernte und verpackte. Im Anschluss kramte er einen merkwürdig gebogenen Haken aus der Innentasche seines Sakkos und führte ihn ohne einen Laut zu verursachen in das Türschloss ein.
19
»Mit wem hat er sich denn angelegt?«, wollte Lenz von der mittlerweile hemmungslos weinenden Simone Wiesmann wissen. Der Polizist saß mit der Frau am Küchentisch in Nasif Yildirims Wohnung, während Hain mit seinem Telefon am Ohr im verwüsteten Wohnzimmer stand, um die Spurensicherung zu verständigen.
»Auf jeden Fall mit seinem Chef, Herrn Vontobel. Und weil den alle in der Bank so gern hatten, demzufolge auch mit dem Rest der Führungsmannschaft.«
»Wie meinen Sie das, weil den alle in der Bank so gern hatten ?«
»Herr Vontobel und die Abteilung Investment waren und sind nun einmal die Cashcow der Bank. Ohne ihn, glaube ich, wäre die Situation der Nordhessenbank noch deutlich bedenklicher, als sie es ohnehin schon ist.«
Sie legte die Stirn in Falten und wischte sich dabei mit dem in der linken Faust steckenden, völlig durchnässten Papiertaschentuch über die Augen.
»Aber ich darf nicht zu viel sagen, sonst bekomme ich garantiert massiven Ärger mit meinen Vorgesetzten.«
»Alles, was wir hier besprechen, Frau Wiesmann«, versuchte Lenz der Frau diese Sorge zu nehmen, »bleibt selbstverständlich unter uns. Ich werde mit niemandem von der Bank über das sprechen, was Sie mir erzählen.«
»Das glaube ich Ihnen, aber diese Leute sind richtig clever, das können Sie mir glauben. Und sie lassen sich nichts, aber auch gar nichts gefallen. Die schrecken ja nicht mal vor einem Mord zurück, wie Sie sehen.«
»Ob dem wirklich so ist«, hob Lenz beschwichtigend die Hände, »werden wir herausbekommen, das verspreche ich Ihnen. Bis dahin allerdings sollten Sie diesen wirklich schwerwiegenden Vorwurf aber erst einmal für sich behalten. Gerade und vor allem vor dem Hintergrund dessen, was Sie eben angeführt haben, nämlich dass die Bank sich nichts gefallen lässt, halte ich das wirklich für notwendig.«
Der Kommissar holte tief Luft, bevor er weitersprach.
»Trotzdem müssen wir natürlich alles wissen, was Sie und Herr Yildirim besprochen haben. Sie müssen uns bitte alles sagen, was Sie wissen.«
»Das ist aber leider nicht allzu viel. Nasif hat immer
Weitere Kostenlose Bücher