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Pechstraehne

Pechstraehne

Titel: Pechstraehne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias P. Gibert
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… animiert?«
    »Ob er anderen Ihrer Landsleuten dazu geraten hat, Geld bei der Nordhessenbank anzulegen.«
    Es dauerte eine Weile, bis der Türke antwortete, und es kam Lenz vor, als sei das Zusammenfügen der Buchstaben im Kopf eine Qual für ihn.
    »Es tut mir wirklich in der Seele weh, es zugeben zu müssen, aber ja, er hat auch Freunden und Bekannten von uns dazu geraten, diese dummen Aktien zu kaufen.«
    Seine Hände legten sich wieder für einige Sekunden vor sein Gesicht.
    »Er hat mir mehrmals in die Hand versprochen, dass er wirklich nicht gewusst hat, wie viel Ärger und Risiko damit verbunden sein könnten.«
    Yildirim sah von einem Beamten zum anderen.
    »Wissen Sie, ich habe manchmal gedacht, dass Nasif doch auch nur ein ganz kleines Rädchen in diesem Getriebe ist, das immer mehr und mehr will. Schon vor mehr als zwei Jahren habe ich ihn auf einer Familienfeier zur Seite genommen und ihn gefragt, ob er mit seiner Arbeit glücklich ist. Oder zumindest zufrieden.«
    »Und, was hat er Ihnen geantwortet?«
    » Ich lebe davon , hat er geantwortet. Und dann hat er mir erklärt, dass er eigentlich gar keine andere Wahl hätte, als das weiter zu machen. Denn , so sagte er damals, das normale Bankgeschäft, wie ich es gelernt habe, gibt es gar nicht mehr. Alles dreht sich nur noch um das große Geld, um immer höher und immer weiter und immer reicher. Ich glaube, er war sehr unglücklich, aber wenn er gekündigt und sich einen anderen Arbeitsplatz gesucht hätte, wäre es an der gleichen Stelle weitergegangen. Die jungen Leute, die auf dieser Ebene arbeiten, werden eingestellt, ausgepresst, bis nichts mehr aus ihnen heraus kommt, und dann einfach wieder ausgespuckt. Das ist meine Meinung dazu, und damit will ich Nasif nicht in Schutz nehmen, denn er war ganz sicher nicht völlig unschuldig daran, dass die Familie so viel Geld verloren hat.«
    »Wissen Sie, wie viel Ihr Sohn verdient hat?«
    Der ehemalige VW-Mitarbeiter schüttelte den Kopf.
    »Nein, das weiß ich nicht. Aber ich weiß, dass sein Konto im Minus gewesen ist, weil ich neulich, als er uns bei sich zum Essen eingeladen hatte, zufällig einen Auszug gesehen habe.«
    Wieder vergrub er sein Gesicht in den Händen.
    »Es ist alles so schwer für uns, Herr Kommissar. Aber es ist vermutlich immer schwer, wenn man sein Kind verliert.«
    »Da kann und will ich Ihnen nicht widersprechen.«
    Es vergingen einige Sekunden, während denen sich Hamit Yildirim im Kinderzimmer seines Sohnes umsah.
    »Meinen Sie, Nasifs Tod hängt mit der Ermordung seines Chefs zusammen?«
    »Das wohl eher nicht, weil der Täter dieses Falles bereits in Haft ist.«
    »Ja? Das wusste ich nicht. Aber wir lesen auch selten deutsche Zeitungen. Wer ist es gewesen?«
    »Ein älterer Mann. Es ging dabei wohl um Dinge, die mit der Bank zu tun hatten.«
    »Diese Bank! Diese Bank bringt nur Unglück über die Menschen!«
    Da kann ich dir nicht widersprechen , dachte Lenz.
    »Ihr Sohn hat allein gelebt?«, wollte Hain mit gedämpfter Stimme wissen.
    »Ja, soweit ich weiß, schon.«
    »Was meinen Sie mit soweit ich weiß ?«
    Zum ersten Mal hellte sich das Gesicht des alten Mannes ein wenig auf.
    »Ich glaube nicht, dass er sich an einem Tag mit der roten und am anderen mit der gelben Zahnbürste die Zähne geputzt hat, die beide in seinem Bad herumlagen. Nasif hat es nie schwer gehabt bei den Mädchen, das weiß ich, und ich vermute, dass er eine Freundin hatte, die er uns nicht vorstellen wollte oder konnte. Vielleicht dachte er, sie würde uns nicht gefallen oder so etwas.«
    »Aber darüber gesprochen haben Sie nie mit Ihrem Sohn?«
    »Nein, das habe ich nicht. So etwas machen wir lieber nicht. Wir Türken warten, bis er mit der Richtigen, hoffentlich einer Türkin, kommt, sie uns vorstellt und dann heiratet, aber so war Nasif einfach nicht.«
    Seine Züge wurden noch eine Spur weicher.
    »Meine Frau hat ihm natürlich immer die Hölle heiß gemacht deswegen, aber er konnte sie halt gut um den Finger wickeln und sich immer wieder damit herausreden, dass er noch nicht die Richtige gefunden hatte.«
    »Wäre es für Sie ein Problem gewesen, wenn es sich dabei um eine deutsche Frau gehandelt hätte?«
    Wieder eine kurze Phase des Nachdenkens.
    »Ach, was heißt schon ein Problem ? Als ich vor 44 Jahren in dieses Land gekommen bin, war das unvorstellbar, von beiden Seiten übrigens, aber heute? Ich hätte mich einfach für ihn gefreut, wenn er endlich ein nettes Mädchen gefunden hätte, egal

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