Pechvogel: Roman (German Edition)
aus Tucson, Arizona.«
Tuesday überfliegt meine Aufzeichnungen und blickt dann auf. »Warum hat sie vorgegeben, ich zu sein?«
»Ich habe keine Ahnung«, lüge ich. »Ihr eigener Vater ist gestorben. Vielleicht wollte sie sich deshalb für eine Weile Ihren Vater ausleihen. Vielleicht ging es ihr auch bloß darum, umsonst an ein paar Hotelübernachtungen und Eintrittskarten zu kommen.«
Noch einmal: diese ganze Ehrlich-währt-am-längsten-Sache? Ist manchmal wirklich eher eine Theorie.
Tuesday schaut erneut auf meine Notizen, faltet das Blatt dann zusammen und steckt es in ihre Handtasche. »Ich danke Ihnen für die Informationen, Mr. Monday. Um ehrlich zu sein, bin ich überrascht, dass Sie das Ganze so schnell aufgeklärt haben.«
»Schön zu wissen, dass ich Ihre Erwartungen übertroffen habe.«
»Nun, ich danke Ihnen jedenfalls für Ihre Bemühungen.« Sie greift in ihre Handtasche. »Und ich halte natürlich meine Versprechungen ein.« Dann nimmt sie ihre Brieftasche heraus, öffnet ihr Scheckbuch und stellt mir einen Scheck über zwanzigtausend Dollar aus.
Ich sehe sie an und lächle. »Wenn es Ihnen nichts ausmacht: Könnte ich das bitte in bar bekommen?«
Kapitel 41
A ls ich das Drake verlasse, halte ich noch kurz bei Starbucks und bestelle mir einen großen Cappuccino bei einer Bedienung um die zwanzig mit purpurrotem Haar und Bibliothekarinnen-Brille. Ich frage sie nicht nach ihrer Telefonnummer, und sie schenkt mir von sich aus nichts außer einem freundlichen Lächeln und einem »Schönen Tag noch«.
Ich bin mir nicht sicher, ob das gut oder schlecht ist, aber es ist in jedem Fall anders.
Eine halbe Stunde später sitze ich in meinem Büro und schlürfe gerade den letzten Rest meines Kaffees, als Doug auftaucht.
»Yo, Holmes«, begrüßt er mich und kommt herein. »Wie geht’s, wie steht’s?«
»Alles senkrecht«, gebe ich zurück. Ich freue mich über sein grinsendes Gesicht und muss mich konzentrieren, um selbst weiterzulächeln, da ich ja weiß, dass es das letzte Mal ist, dass ich dies zu ihm sagen werde.
Diese wachsende Zuneigung zu Leuten geht mir echt auf den Sack.
Doug setzt sich mit den Händen in den Hosentaschen auf den Stuhl, rutscht ein Stück herunter und lümmelt sich so tief hinein, dass es schon ein in sich perfektes, eigenes Kunstwerk ist. »Was haben wir für heute auf dem Deckel?«
Ich überlege, ob ich Doug die Wahrheit erzählen soll, aber die würde ihn nur enttäuschen, und so entscheide ich mich für die überarbeitete Version. »Ich werde die Stadt für eine Weile verlassen, Bow Wow.«
»So etwas wie ein Urlaub?«
»Ja, so was in der Art.«
»Voll krass, Digga«, meint er. »Dich hat die Reiselust gepackt. Wo wirste denn abchillen?«
»Weiß ich noch nicht. Das werde ich unterwegs entscheiden.«
»Alter, voll cool, ey.« Er nickt zustimmend. »Und wann kommst du zurück?«
»Steht noch offen. Darüber wollte ich ja mit dir reden.«
Doug bleibt bei seiner lässigen Sitzposition, nimmt aber die Hände aus den Taschen und verschränkt sie hinter dem Kopf. »Sag an, Holmes.«
»Wie würde es dir gefallen, das Geschäft zu führen, während ich weg bin?«
»Ohne Scheiß?« Er setzt sich auf und nimmt seine Hände herunter. »Konkret mit voller Cred?«
»Konkret mit voller Cred«, erwidere ich, obwohl ich mir nicht wirklich sicher bin, was das heißt. Aber Bow Wow weiß es, und offenbar habe ich gut gesprochen.
Sein Gesicht verzieht sich zu einem Grinsen, das ungefähr so breit wie der Grand Canyon ist, und ein verräterisches Schimmern tritt in seine Augen. Für eine Minute glaube ich, dass er gleich aufstehen, um den Tisch herumlaufen und mich drücken wird, aber dann schafft er es, die Tränen wegzublinzeln und sich zusammenzureißen. »Es wird mir eine Ehre sein, Holmes.«
Zuerst war ich mir nicht so sicher, ob es eine gute Idee ist, ihm dieses Angebot zu machen, denn schließlich habe ich ja sein Glück gewildert. Aber nachdem ich Zeuge wurde, wie er einen Schuss in die Brust überlebte, habe ich das Gefühl, dass er der Aufgabe hervorragend gewachsen sein wird.
Klar, das geht gegen alles, an das ich jemals geglaubt habe, aber ich beginne gerade zu denken, dass es mit Glück vielleicht mehr auf sich hat, als dass man bloß damit geboren wird.
Während ich vorhin auf Doug wartete, habe ich die Büromiete für die nächsten zwei Monate bezahlt und dasselbe für das Telefon geregelt, das mir Schläger eins gestohlen hat. Ich weiß nicht, wo das Handy
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