Pechvogel
weil einer den anderen so gut kennt und versteht.«
»Genau, du sprichst mir aus der Seele«, sagte sie.
Richard lächelte Gabi an. Heute war er nicht mal mehr fähig, im Bett Leistung zu bringen. Der Film und Gabis ewiges Streicheln hatten ihn ausgelaugt.
»Das wird erst der zweite Film sein, den ich mir auf DVD kaufe, sobald es ihn gibt«, sagte sie.
»Wirklich«, sagte Richard gedehnt. »Was ist denn der andere für ein Film?«
»Ein französischer. Den Titel weiß ich gar nicht mehr so genau. Aber es geht um ein Pärchen, das immer wieder Sex hat, obwohl einer von beiden oft überhaupt keine Lust hat. Der dauert, glaube ich, auch so was an die drei Stunden.«
»Wow, die Franzosen halt, die machen die echt starken, ambitionierten Streifen.« Richard hoffte, diese Folter nie wieder über sich ergehen lassen und diesen französischen Arthausfilm nie wieder mit ihr ansehen zu müssen.
»Den können wir uns ja nächste Woche mal an einem Abend bei dir angucken. Das wäre doch toll«, sagte Gabi.
»Ja, toll. Ich freue mich schon sehr.«
Welches Leid würde diese Frau ihm noch zufügen wollen?
»Ich fahre wieder mit zu dir, wenn das okay ist«, sagte Gabi.
»Klar, wir haben doch eine Beziehung, da musst du doch nicht immer fragen, ob du zu mir kommen kannst oder nicht.«
»Mir ist es lieber so.«
»Okay, deine Wahl. Und, was willst du machen?«
»Nach dem Film habe ich nun so richtig Lust, mit dir zu schlafen. Heute bin ich so heiß auf dich, Richard, heute will ich öfter kommen als sonst«, flüsterte sie ihm ins Ohr.
Richard fragte sich, was er nur verbrochen hatte, um so einen Samstagabend erleben zu müssen.
Weihnachten
Dezember, vor vier Jahren
Wie immer schneite es nicht. Die letzte weiße Weihnacht, die er erlebt hatte, war während seiner Pampers-Zeit gewesen, dachte Richard.
Heute war ein großer Tag. Er durfte das erste Mal Gabis Eltern sehen. Und das an Weihnachten. Gabi hatte bisher sehr wenig über ihre Eltern erzählt. Er wusste nur, dass Gabis Vater als Pfleger in der Psychiatrie arbeitete und ihre Mutter Hausfrau war. Und sie sollen, laut Tochter Gabi, guten Geschmack haben, in allen Lebenslagen.
»Ich mag meine Eltern über alles«, sagte sie. »Sie stehen auch weit vor dir, nicht, dass du dir einbildest, du wärst mir wichtiger.«
Das hat gesessen, dachte Richard.
Gabi hatte ihm das im November bei einem romantischen Abendessen bei Kerzenschein, das er für sie in seiner Wohnung gekocht hatte, gesagt.
Ihm waren seine Eltern auch wichtig. Aber die Liebe zu seiner Partnerin würde alles andere ins zweite Glied rücken. Aber genau genommen hatte Richard ja keine Partnerin, er hatte Gabi.
Gabi und ihre Eltern wohnten in einer Hochhauswohnsiedlung außerhalb Münchens. Es folgte ein Wohnblock dem anderen.
»Ich bin schon aufgeregt«, sagte Richard, als sie mit dem Aufzug in den sechsten Stock hochfuhren.
»Musst du nicht, meine Eltern werden dich nicht auffressen.«
Richard war sich da nicht so sicher. Wenn man so eine ichbezogene Tochter wie Gabi in die freie Welt entlässt, war alles möglich. Richard schluckte einen Kloß hinunter.
Richard hielt die Papiereinkaufstasche eines schicken Modehauses in München in der Hand. Das war die schönste, die er hatte, um darin die Geschenke zu transportieren.
Nachdem er von Gabi praktisch nichts über ihre Eltern erfahren hatte, wusste er natürlich auch nicht, für was sie sich interessierten. Das war Richard immer wichtig. Wenn er schon ein Geschenk kaufte, dann eines, das auf den Beschenkten zugeschnitten war. Alle anderen Geschenke waren eher eine Entschuldigung, mehr aber auch nicht. Heute würde er zweimal eine Entschuldigung herschenken. Aber zweimal eine sehr teure und mit bedacht gekaufte. Und für Gabi hatte er sich was ganz Besonderes einfallen lassen, obwohl er damit sehr über seinen eigenen Schatten hatte springen müssen.
Er musste sich ablenken. Ein Gespräch war die beste Lösung.
»Wenn außer dir nur dein Vater arbeitet«, fragte Richard, »schafft ihr das dann überhaupt mit der Miete, Nebenkosten, Essen und so?«
»Geht so.«
»Wie viel gibst du denn jeden Monat Wohn- und Essensgeld ab?«
Gabi sah ihn bestürzt an. »Ich, wieso? Ich gebe natürlich nichts ab, brauche mein Geld schon selber. Mein Sport, das Weggehen, das Auto, das Aktzeichnen und was mir sonst noch so alles einfällt.«
»Klar, hätte ich ja auch selbst drauf kommen können«, sagte Richard.
»Dafür hast du ja mich, ich helfe
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