Pecorino und die Kunst des Pilgerns - ein Hund geht den Franziskusweg
waren voll bepackt, haben es uns an nichts fehlen lassen, ab und an etwas gemogelt. Und dennoch haben meine beiden Begleiter und ich uns dem Wesen der franziskanischen Lehre angenähert und damit uns selbst – jeder für sich. Mein Lebensfilm ist durch all die Ereignisse wie im Zeitraffer noch einmal in meinem Kopf abgespult worden. Trotz der permanenten Dreisamkeit war es für jeden von uns eine sehr persönliche Zeit. Eine anstrengende, eine lustige und eine stille Zeit des Pilgerns, des In-sich-Schauens, letztlich ging es darum, sein eigenes Ziel zu erreichen. Ich habe in den zwölf Tagen für mich viel mehr erreicht, erfahren und mitgenommen, als man in Wort und Bild auszudrücken vermag. Eine ganz eigenartige Wehmut stellt sich ein, als wir das Hotel verlassen. Der Himmel ist bewölkt. Morgen werden wir dieses außergewöhnliche Abenteuer beendet haben. Beinahe will man den Weg verlängern, weitergehen und weitersinnieren – kein Ziel erreichen.
Wir wandern los, lassen Valfabbrica hinter uns, vorbei an Schafherden auf saftigen Wiesen, die heute noch viel grüner erscheinen. Wir werden von aufgeregtem Schnattern begleitet, als wir eine Gänsezucht mit Hunderten Tieren passieren. Die letzte große Steigung auf einem verwachsenen Hohlweg durch den Wald hinauf in Richtung Pieve San Nicolo, ein Foto in der gelb blühenden Flora am Waldesrand, und plötzlich tut sich ein unglaublich schönes, ergreifendes Bild in der Ferne auf: die gewaltige Festungsanlage von Assisi am Fuße des Monte Subasio. Zum Greifen nahe. Es wird still, wir stehen nur andächtig da und staunen demütig. Ist es die spürbare Spiritualität dieser heiligen Stadt, ist es die Last des langen Weges, die in der Sekunde von uns abfällt, oder einfach nur der wunderbare Anblick dieser beeindruckenden Kulisse, die seit 2000 zum UNESCO-Weltkulturerbe zählt? Wir haben es geschafft. Strahlen macht sich in den Gesichtern meiner Mitpilger breit. Vor lauter Euphorie bekomme ich ein saftiges Hundestangerl und den verdienten Schluck Wasser. Kurze Rast, viele Fotos und weiter geht’s. Leider bergab, denn somit verschwindet das gerade noch nahe Ziel schon wieder hinter dem nächsten Hügel. Noch fünf Kilometer. Assisi taucht wieder am Horizont auf, noch näher, noch imposanter. Schon wieder geht’s sanft bergab. Das Versteckspiel beginnt von Neuem. Die Mittagssonne sticht durch den von Wolken durchzogenen Himmel. Braut sich etwa auf den letzten Kilometern ein Gewitter zusammen? Es riecht förmlich nach Regen. Elf Tage ohne einen einzigen Tropfen und jetzt im finalen Endspurt doch noch? Ich hätte nichts gegen eine nasse Abkühlung einzuwenden, und meine Kumpane könnten endlich ihre unbenützten, funkelnagelneuen Regenjacken auf ihre Funktionalität testen.
Wir gehen über die Ponte di Santa Croce. Genau hier hat Franziskus dereinst, von einer der zahlreichen Reisen aus dem Norden kommend, ebenfalls den Fluss überquert. Genau hier sind es nur noch zwei Kilometer, also 2000 Meter, bis Assisi. Wir wandern gemütlich entlang der Via Padre Pio. Der Namensgeber war ein Kapuzinermönch und ist einer der populärsten italienischen Heiligen der Neuzeit. Pater Pio hatte die Gabe des Heilens und der Prophetie, auch bei ihm zeigten sich Stigmata – acht Jahrhunderte nach Franziskus. Der 1968 verstorbene Geistliche wurde 2002 von Papst Johannes Paul II. heilig gesprochen. An der Weggabelung ragt seine riesige Statue in den Himmel. Blumen, Kränze, Kerzen und allerlei Devotionalien-Spenden säumen den Sockel und zeugen von der Beliebtheit des Padre. Er ist nicht legendenumwoben, man kannte ihn noch, hat ihn leibhaftig erlebt. Ein Heiliger zum Angreifen. Was uns drei allerdings bei aller Wertschätzung noch mehr beeindruckt: Direkt über uns erheben sich am nördlichen Hang des Monte Subasio die mächtigen Mauern unseres Zieles, des riesigen
sacro convento
, des Klosterbezirks von Assisi. Ein Katzensprung für einen Hund! Herrchens Schritte werden länger und schneller. Die Nordic-Walking-Stockeinsätze des Autors auf der asphaltierten Zufahrtsstraße sind energisch und weit hörbar. Es hat nun doch nicht geregnet, die Luft ist schwül, und die Sonne sticht beinahe unerträglich auf uns herab. Diese letzte, schmale Serpentinenstraße hin zur Porta San Giacomo, einem der acht erhaltenen Befestigungstore, sollte man nicht unterschätzen: ihrer Steilheit wegen, aber vor allem wegen der Autokolonnen, die sich rauf- und runterwälzen. Wir befinden uns leider nicht mehr im
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