Pecorino und die Kunst des Pilgerns - ein Hund geht den Franziskusweg
Vinaccio, Pecorino Umbriaccio, Pecorino di Fossa, Pecorino alla Cenere
etc. etc. Da komme ich mir schon etwas eigenartig vor, wenn unter all diesen Schafkäsesorten zwischendurch auch mal mein Name fällt. Herrchen, damals der italienischen Sprache noch nicht so mächtig, hat sich kaum Gedanken darüber gemacht, wie es ist, als markengeschützte italienische Käsesorte durch die Welt zu tingeln. Egal, ich bin trotzdem stolz auf meinen Namen, der mich noch mehr zu einem ganz besonderen Hund macht. Ist man auf dem Ego-Surf-Trip und gibt den Begriff „Pecorino“ in die Suchmaschine Google ein, so erscheint unter „pecorino hund“ meine Wenigkeit. Das muss man sich erst einmal erarbeitet haben!
Elfte Etappe:
Gubbio bis Valfabbrica 30 km
Heute ist Herrchen hyperaktiv. Eine lange Wegstrecke liegt vor uns, und einige Motive in Gubbio wollen noch fotografiert werden. Es ist sechs Uhr morgens. Er duscht schon, da höre ich plötzlich einen gellenden Schrei aus dem Bad, dem ein verärgertes Schimpfen folgt. Er hat sich aus unerklärlichen Gründen die Schulter verrissen. Na bravo! Da aber ein Anzenberger keinen Schmerz kennt, vertuscht er den Vorfall, und wenig später verlassen wir zielstrebig das Minizimmer. Natürlich nicht ohne vorher den Schreiber geweckt und ihm mitgeteilt zu haben, dass wir in einer Stunde abreisebereit in der Lobby warten würden.
Abmarsch um 7.30 Uhr. Knappe 30 Kilometer liegen bis Valfabbrica vor uns. Morgen folgt die finale Etappe, das bedeutet Motivation, Befriedigung und Wehmut zugleich. Das Pilgern wird uns fehlen. Doch bevor wir noch den alten Mauerring um die Stadt verlassen können, kommt uns aus allen Zufahrtsstraßen eine regelrechte Armada von kleinen, süßen Oldtimern entgegen. Buckelig, surrend, Nostalgie pur, putzig anzusehen. Der italienische Cinquecento Club hat an diesem Wochenende zu einer internationalen Sternfahrt nach Gubbio geladen. Hunderte der kleinen Fiat-Automobile sind der Einladung gefolgt. Ein roter 1960er aus Hamburg, ein schwarzer, getunter 500er aus Roma, ein weißer aus den 1970er-Jahren, mit riesigem Koffer um das winzige Hinterteil geschnallt. Geschätzte 200 Fahrzeuge nehmen am heutigen
corso
teil. Da muss ich dabei sein! Diese
occasione
hat man nicht jeden Tag, Valfabbrica muss warten.
Es hat sich gelohnt. Kleine, quirlige Oldtimer vor großen, antiken Kulissen und mittendrin Pecorino. Drei Männerherzen kommen ins Schwärmen. Ein Blick auf die Uhr lässt dann die Euphorie abklingen und Schlimmes erahnen. Ein weiterer in Herrchens Gesicht noch viel Schlimmeres: Es ist schmerzverzerrt. So kenne ich den harten Kämpfer gar nicht. Seine Nackenpartie weist eine leichte, gleichmäßige Rötung auf, sein Gang mit dem schweren Rucksack ist unrhythmisch und asymmetrisch. „Toni, so geht das nicht, lass uns doch ein Taxi nehmen! Es ist ohnehin schon Mittag“, tönt der wohlklingende Vorschlag aus des Autors Mund. Manchmal hat er ganz brauchbare Ideen. Herrchen wehrt sich, überlegt zaudernd und willigt schließlich missmutig ein. „Zumindest die halbe Strecke. Morgen gehen wir dann ganz sicher die komplette, letzte Etappe. Jeden Meter!“, beruhigt der Schreiber. Gut, morgen werden es ohnehin nur noch 16 Kilometer sein. Pflichtkilometer!, das verlangt die Pilgerehre von uns, das werden wir schaffen. Dass Gubbio ein Zentrum des internationalen Tourismus ist, merken wir auch, als uns der Taxler den Preis für die knapp 16 Kilometer zum Eremo San Pietro in Vigneto nennt: 34 Euro. Ich will mir gar nicht ausmalen, wie viel das in Schilling oder gar Lire einmal war. Was bleibt uns übrig? Herrchen ist mittelschwer lädiert und leidet. Über Ponte Assisi geht’s bergauf und wieder bergab zum Eremo. Zwei Euro pro Kilometer, aber mindestens vier Gehstunden und viele Schmerzen erspart. Das sollte die allerletzte Schummelfahrt wohl wert sein. Der heilige Franz mag es uns verzeihen. Mir geht es ausgezeichnet, Herrchen dem Anschein und Gesichtsausdruck nach wesentlich besser. Der Eremit, Padre Basilio, der das jahrhundertealte Kloster völlig alleine bewirtschaftet, hält heute die mächtigen Holztore geschlossen. Am Brunnen vor der alten Einsiedelei füllen wir noch schnell die Flaschen mit ausgewiesenem Trinkwasser. Wir werden es brauchen, es ist ziemlich heiß. Guten Mutes umwandern wir die verfallenen Mauern und folgen dem stetig bergab gehenden Pfad.
Tonis Rücken hat sich weitgehend regeneriert, und er beginnt völlig unvermittelt, vom neuen Kalender zu schwärmen.
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