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Pedro Juan Gutiérrez

Pedro Juan Gutiérrez

Titel: Pedro Juan Gutiérrez Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schmutzige Havanna Trilogie
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zusammen schliefen. An der Wand hing ein Stück Spiegel, und in einer Ecke hingen drei Kleiderbügel an einer Schnur, voller schäbiger, abgenutzter Kleidungsstücke. Alles wurde saubergemacht, nicht ein Körnchen Staub blieb liegen. Manchmal vergingen Tage, da badete sie nicht. Sie mochte kein Wasser und keine Seife, obwohl man bei der schwülen Hitze gleich zu riechen anfing. Wie besessen war sie hingegen, was die Sauberkeit des Zimmers betraf. Sie färbte ihr Haar pechschwarz, um eine paar graue Stellen an den Schläfen zu überdecken. Carmita war vierundvierzig, wirkte aber zehn Jahre jünger. Sorgfältig rasierte sie sich Beine und Achseln und lackierte sich die Fußnägel hell-rosa, was gut zu ihrer braunen Haut passte. Die neugierigen Nachbarn wurde sie los, indem sie ihnen erzählte, sie habe Migräne, und die Kinder schickte sie aus dem Haus. »Ihr kommt mir nur zum Schlafen her. Die übrige Zeit will ich euch nicht im Haus haben. Ihr seid schon große Jungs, und große Jungs sorgen für sich selbst.« Die Jungen waren zehn und zwölf, aber alte Hasen darin, sich dünn zu machen. Carmen war von jeher mit ihren Männern beschäftigt gewesen, und die beiden stromerten ziellos durch die Straßen, seit sie fünf und sechs waren. »Raus hier, ihr stört nur«, teilte sie ihnen jeden Tag gleich am Morgen mit.
    Als alles fertig war, setzte sie sich hin und hörte Musik auf Radio Enciclopedia und las alte Liebesromane von Corín Tellado, die vor vierzig Jahren veröffentlicht worden waren. Als Luisito zwei Tage darauf kam, war sie frisch wie eine Frühlingsblume, ausgeruht, fröhlich und duftete nach Kölnisch Wasser.
    Luisito kam früh am Morgen, beladen mit sechs riesigen Koffern, schwer wie Blei. Er war in allen Häfen Japans, Chinas und Vietnams gewesen. Auf dem Rückweg war er durch den Panamakanal gekommen, weiter nach Argentinien, Brasilien, Venezuela und Kolumbien gefahren. Insgesamt achtund-zwanzig Monate. Er brachte alles Mögliche mit: von Seide aus China über Fächer aus Vietnam bis hin zu Elefanten aus Terracotta, kolumbianischem Marihuana, versteckt in Shampooflaschen, japanischen Uhren und billigem Schmuck aus Hongkong. Zudem kam er mit tausendfünfhundert Dollar, und wieder an Land wurden ihm noch zehntausend Pesos an rückständigen Gehältern ausgezahlt. Sein Kommen war wie Weihnachten und Ostern auf einen Tag, und das Fest begann umgehend. Luisito stand kurz vor dem Samenkoller und hatte von der langen Abstinenz fast Kurzschlüsse. Carmita legte sich mächtig ins Zeug. Sie war fest entschlossen, sich die Goldmedaille zu holen und alle Weltrekorde zu brechen. Mit weniger gab sie sich nicht zufrieden. Nach achtundvierzig Stunden hatte sie dunkle Ringe unter den Augen, zehn Pfund Gewicht verloren, Falten im Gesicht bekommen und den Hals voller violetter, blutunterlaufener Knutschflecken, die sie stolz zur Schau stellte, um ihren Nachbarinnen zu zeigen, dass ihr Mann sie buchstäblich auffraß und sie noch begehrt war und jeden Mann um den Verstand brachte.
    Die wenigen Momente, in denen er sie aus dem Bett ließ, nutzte sie, um ihm unbemerkt alles Mögliche aus seinen Koffern zu stibitzen und im ganzen Haus zu verkaufen. Taschentücher, bestickte Blusen, Schuhe, Kämme, Räucher-stäbchen, Ginsengextrakte, Buddhas, Elefanten, Sonnenbrillen, Plastikspielzeug. Alles zu Schnäppchenpreisen. Das Fest ging ewig weiter: Rum, Bier, Zigaretten, gutes Essen, Hemmungs-losigkeiten und Ausschweifungen. In einem schäbigen Bordell in Osaka hatte Luisito sich eine Perle unter die Vorhaut nähen lassen, und diese Neuheit brachte beide in Ekstase. Sie vögelten bis zum Umfallen, die Perle mittendrin.
    Am dritten Tag entzog sich Luisito Carmita für ein Weilchen. Er besuchte seine Santería-Patentante, brachte ihr ein Paket mit Räucherstäbchen, einen Buddha, ein besticktes Taschen-tuch und fünf Dollar mit und bat sie, seine Brüder in Santiago anzurufen.
    Zwei Tage später kamen seine vier Brüder nach Havanna, behaart, dunkelbraun, fröhlich, stets lachend. Sie kamen schon betrunken mit dem Zug an und wollten sich an jeder Ecke prügeln und allen zeigen, dass sie größere Machos als alle anderen waren. Sie waren jung und sprühten vor Leben. Luisito war mit seinen dreiunddreißig der Älteste, der Jüngste war siebenundzwanzig. Irgendwie kamen sie alle in Carmitas Zimmer unter. Das Fest nahm eine Wende. Diese hungrigen, gefräßigen, muskulösen Mulatten in ständiger Feierlaune gingen mit ihrem Bruder

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