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Pedro Juan Gutiérrez

Pedro Juan Gutiérrez

Titel: Pedro Juan Gutiérrez Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schmutzige Havanna Trilogie
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Parfüm, das mir eine Santera zubereitet hatte: Veilchenwasser mit Honig und drei Arten von Hölzern, eins mit Tabak »Für mich«, das andere »Ich kann mehr als du«. Am Morgen rieb ich mich damit ein und zog los.
    Die Frauen klebten mir an den Hacken, und alle Türen öffneten sich.
    Als ich mich gerade wieder an die Wand gelehnt hatte, um abzuwarten, wie es mit der Mulattin weiterging, rief mich der Schlachter von der Ecke. Ich ging zu ihm. Er flüsterte fast.
    »Pedro Juan, ich hab Rindfleisch. Ich muss es heute noch loswerden.«
    »Wie viel willst du dafür?«
    »Ich lasse es dir für eineinhalb Dollar das Pfund.«
    »Wie viel Pfund hast du?«
    »Achtzig.«
    »Verdammt viel!«
    »Ach, komm schon. Sieh zu, was du tun kannst.«
    »Ich schlag's dir los, Mann.«
    Ich musste nach El Vedado. In Zentral-Havanna lebten die Leute von Luft. Niemand besaß Dollars, und die Leute hatten sich schon daran gewöhnt, von Wasser mit Zucker, Rum und Tabak und viel Getrommel zu leben. So ist das. Solange wir leben, müssen wir weitermachen, egal wie, müssen ums Leben kämpfen, denn der Tod ist uns sicher. In dem Moment lehnte sich die Mulattin über den Balkon und sah mich. Wir blickten uns an. Aber ich musste los. Erst die Pesos, dann das Vergnügen, denn wenn sie abends mit mir ausgehen wollte und ich blank war, nicht einen Peso hatte, um sie einzuladen, würde sie zu mir sagen: »Ach, du armer Schlucker, hau ab, ich will nichts mit dir zu tun haben. Aber weit weg, denn alles Übel ist ansteckend.« Aus einem Radio war die Stimme eines Nachrichtensprechers zu hören, der ständig dieselben Worte wiederholte. »Dieser Triumph«, »das Ergebnis«, »die Begeisterung unseres Volkes«, »mit Jubel und Fröhlichkeit«. Ich hatte keine Ahnung, wovon er redete. Endlos wiederholte er seine Phrasen.
    Ich gab der Mulattin ein Handzeichen, dass ich wieder-kommen würde. Zufrieden lächelte sie mir zu. Ihr Mann war immer noch mit dem Wassereimer am Brunnen zugange. Da fiel mir etwas ein, und ich wandte mich wieder dem Schlachter zu.
    »Ich ziehe jetzt los, Mann, und kontaktiere ein paar Leute. Gib mir fünf Pfund mit, damit es schneller geht.«
    »Hast du etwas, um zu bezahlen?«
    »Nein, Mann, du weißt doch, ich bin pleite.«
    »Also?«
    »Komm schon, Mann, mit mir gibt's keinen Ärger. Habe ich dich je schon mal reingeritten?«
    »Ich weiß, du bist ehrlich, aber was sein muss, muss sein.« »Gib mir fünf Pfund im voraus, Mann, ich brenne nicht damit durch.«
    »Ahhh, Pedro Juan...«
    »Komm schon, du wirst sehen, ich verkaufe dir heute eine Tonne von deinem Fleisch, und du bist es los.« Er gab mir fünf Pfund. Es war gute Qualität, wenig Haut. Aber es hieß auch, mit dem Feuer spielen. Gerade waren die Strafen heraufgesetzt worden, und man konnte schnell zehn Jahre Knast aufge-brummt bekommen. Für nichts und wieder nichts. Ich würde es für zwei Dollar das Pfund verkaufen, also insgesamt zwei-einhalb daran verdienen. Zum Glück konnte ich es gleich an den Mann bringen. Ich kenne ein paar Leute, die haben immer Dollars locker. Wenn ich mit Lebensmitteln komme, kaufen sie mir ab, egal was es ist: Hühner, Fleisch, Käse, Eier, Langusten, alles. Sie müssen sich regelrecht vollstopfen, die Scheißkerle. Viermal fuhr ich hin und her und verkaufte zwanzig Pfund. Somit hatte ich zehn süße Dollars verdient, ohne mich auf einem Müllwagen abrackern zu müssen. Ich habe Glück. Changó und Oggún eröffnen mir immer wieder neue Wege. Aber die kleine Mulattin wollte mir nicht aus dem Schädel. Ich rechnete mit dem Schlachter ab, und er sagte mir, es sei noch etwas für morgen da. Daraufhin ging ich hinüber an die andere Straßenecke zu dem Lebensmittelstand. Man kann nicht den ganzen Tag wie angewurzelt an derselben Stelle stehen.
    Die Marktfrau war wie immer. Da kein Kunde in Sicht war, saß sie an den Türrahmen gelehnt auf einer Kiste und bohrte in der Nase. Sie ist dick, um die fünfzig, mit Cellulite an den Schenkeln und blauen Krampfadern. Aber das kümmert sie nicht. Stets trägt sie Shorts und kleine, tief ausgeschnittene Blusen, die einen Gutteil ihres Bauches und ihrer Titten freigeben. Sie sah mich an, grüßte mich mit einem Heben der Augenbrauen, bohrte weiter mit den Fingern in der Nase und ergötzte sich an jedem Popel. Dann unterhielten wir uns ein Weilchen. Immer über dasselbe: Ihr Sohn saß im Gefängnis, und man hatte gerade seine Strafe auf zwanzig Jahre erhöht, weil er Ärger gemacht hatte. Glücklicherweise war

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