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Pedro Juan Gutiérrez

Pedro Juan Gutiérrez

Titel: Pedro Juan Gutiérrez Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schmutzige Havanna Trilogie
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an zu flennen, als sei er ihr Großvater. »Sei still, hör auf zu jammern! Was gibt's denn um diesen alten Sack zu heulen?«
    »Er tut mir doch so Leid.«
    »Leid? Zum Teufel mit ihm! Außerdem ist er glücklich lutschend gestorben. Was will man mehr?« »Was machen wir denn jetzt bloß?«
    »Wir ziehen ihn an, zerren ihn hinaus auf den Korridor und verschwinden.«
    Wir zogen ihm seine Klamotten wieder an. Dabei fanden wir noch achtzig Pesos in seiner Tasche. Dann ließen wir ihn im Hausflur liegen und gingen hinunter, um etwas zu essen.
    »Du bist so schlau, Schätzchen. Ein toter alter Mann, Gott noch mal! Soll ihn ein anderer finden.«

 
     
Verrückte und Bettler
     
    Man hatte beschlossen, alle Verrückten und Bettler aus dem Zentrum Havannas zu entfernen. Irgendetwas Bedeutsames bahnte sich an. Ein historischer Jahrestag oder die Herbst-touristen, was weiß ich. Irgendetwas Wichtiges. Ich weiß nie, was wichtig ist. Irgendwann einmal hatte ich alles um mich herum so eingeteilt. Es gab Dinge, die wichtig waren, andere nicht. Dinge, die gut waren, und andere, die nicht gut waren. Jetzt nicht mehr. Jetzt ist mir alles egal. Also gut. Verrückte und Bettler auflesen. Und mich zogen sie dazu heran, zusammen mit ein paar anderen. Seit ich keine verstopften Gasrohre mehr säuberte, hatte ich eine Weile rumgehangen. Aber nicht lange, denn die Schlampe mit der Verbrechervisage wollte nicht für mich sorgen, die blöde Fotze. Als sie sah, dass ich klamm war, warf sie mich raus, und das war's.
    Daraufhin wurde ich Müllmann. Um zwölf Uhr nachts fing ich an und hörte um acht Uhr morgens auf. Man zahlte mir Gefahren- und Nachtzulagen sowie Zulagen für unnormale Arbeitsbedingungen. Mit anderen Worten, man konnte verun-glücken und hops gehen. Na, jedenfalls kam ich insgesamt auf ungefähr dreihundert Pesos, genauso viel wie ein Ingenieur. Außerdem bekam ich ein anständiges Frühstück am Ende der Schicht. Doch dafür musste ich mir den Schwanz wund wichsen, denn keine Frau wollte mit mir Zusammensein. Ich ekelte sie an. Sie behaupteten, ich würde nach Fäulnis und Scheiße stinken. Das glaube ich nicht. Ich duschte jeden Tag. Vielleicht war es ein eher psychologisch bedingter Gestank. Sobald sie hörten, was für einen Job ich hatte, fingen sie an zu nerven, ich würde nach Scheiße und faulem Abfall stinken und hätte scheißeverschmierte Ohren und Fingernägel. Also hieß es für Pedro Juan wieder: selbst Hand anlegen. Das soll nicht heißen, dass ich geiler bin als alle anderen. Ich bin normal. Aber wenn ich drei, vier Tage nicht gefickt habe, hat sich in mir so viel angestaut, dass ich mich totwichse. Na, jedenfalls wurden vier von uns ausgesucht. Wir bekamen graue Unifor-men und eine graue Schirmmütze mit dem Emblem der Gesundheitsbehörde. Als Müllmänner hatten wir nur Lumpen getragen: abgeschnittene Hosen, kein Hemd und alte Schuhe. Bei all dem Schweiß, der Schmiere und Fäule kann man sich nicht anständig kleiden. Die ganze Sache war leicht. Wir mussten langsam durch die Straßen schlendern und die Verrückten und Bettler durch irgendeinen Trick in den Lkw-Transporter locken, ohne dass sie einen Aufstand machten. Es war ein großer weißer, hermetisch verriegelter, fensterloser Transporter mit der Aufschrift eines Elektrounternehmens. Man erklärte uns, es sei nur für zwei, drei Wochen und wir dürften niemandem davon erzählen.
    »Nicht etwa, dass es geheim ist, wir müssen nur diskret vorgehen. Hinterher bekommt ihr ein Körbchen voller Seife, Öl, Waschpulver und anderen schönen Dingen. Ihr macht einen guten Schnitt«, teilte uns einer der Chefs mit. Immerhin war dies ein sauberer Job, und wir verdienten etwas dabei. Außerdem war er in gewisser Weise aufregend, denn wir durften nie in den Transporter steigen und erfuhren nie, wohin man sie brachte. Innen wurden sie von weiß gekleideten Typen in Empfang genommen, die wie Krankenpfleger aussahen, und dann folgte Stille. Die Verrückten schrien nicht mal. Vielleicht bekamen sie eine Spritze, was weiß ich. Es ist besser, nicht zu viel zu wissen.
    »Dem, der viel redet, wird die Zunge abgeschnitten«, sagte mein Vater immer. Seitdem halte ich den Mund. Außerdem, wenn man sich allzu sehr herumschubsen lässt, endet man als Verrückter oder Bettler auf der Straße. Selbst schuld, wer sich so plattwalzen lässt. Also, ab jetzt in den Transporter. Und wer weiß, ob sie die Straße je wiedersehen werden. Ich habe sie nicht gezählt, aber ich glaube, wir

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