Pedro Juan Gutiérrez
sie dauernd Dinge wie »als wir einander liebten« oder »ich werde immer auf dich warten«. Ich lachte ihr dann ins Gesicht und sagte: »Was ist denn mit dir los? Seit wann redest du so geschwollen? Als wärst du eine feine Dame? Wahrscheinlich gehst du mit einem dieser Pinkel ins Bett, die so reden, und plapperst alles nach wie ein Papagei.« Daraufhin war sie ganz rot geworden, hatte den Blick gesenkt und geleugnet. Aber es war das letzte Mal gewesen, dass ich sie gesehen hatte. Bis heute, wo sie sich förmlich vor Erklärungen überschlug.
»Genug jetzt, lsabel. Du musst mir nichts erklären. Ich habe keine einzige verdammte Frage gestellt. Verschwindet hier. Ich mache einen Spaziergang und bin in einer Stunde wieder hier.«
»Geh nicht weg, Pedro Juan. Wir verschwinden sofort.«
»Ich gehe, damit du Zeit hast, hier richtig sauber zu machen und diesen schwuchteligen Parfümgestank rauszulüften.« Wenn der Typ das gehört hatte, ließ er es sich nicht anmerken. Ich gebe mich gern kriegerisch, als guter Sohn von Oggún. Wenn ich ruhig wirke, bin ich am schlimmsten. Ich ging die Treppen hinunter und setzte mich auf die Mauer am Malecón. Ich war viel zu vereinsamt, als dass ich hätte oben auf dem Dach bleiben können, bei all dem Aufstand, den die Nachbarn machen würden, wenn sie mich sahen.
»Ach, Pedro Juan, endlich wieder da!« Dann würde man den Rum holen und die Trommeln, und los ging die Party. Nein. Weder Party noch Rum für mich. Genauer gesagt: Ich hatte zweieinhalb Jahre ohne einen Tropfen Rum hinter mir, ohne Trommeln, Marihuana oder Kaffee und ohne eine Frau zu vögeln. Einen Schwulen zu ficken oder sich einen runter-zuholen ist nicht dasselbe. Der Punkt war, ich war bitter geworden. So blieb ich am besten hier draußen, denn beim geringsten Anlass würde ich explodieren. Und es war nicht gut für mich, auch nur in die winzig kleinste Schererei verstrickt zu werden.
Es war fast dunkel, die letzte Nacht im August. Die schwüle Hitze war zum Ersticken. Plötzlich änderte sich das Wetter. Dicke schwarze Wolken zogen am Himmel auf, und ein jäher Nordwind brachte frische Luft und einen leichten Duft mit sich. Das Meer und die Häuser waren in ein seltsam silbernes Licht getaucht. Nie zuvor in meinem vierzigjährigen Leben hatte ich so etwas gesehen. Dort oben alles schwarz, brutal und bleischwer, hier unten alles leuchtend, leicht und silbern. Ein wunderschöner Tribut an Oggún. Mich überlief ein Schauer. Er verlangte Rum und Tabak. Jetzt konnte ich ihm all dies besorgen. Irgendwie musste ich ein Glas Schnaps auftreiben und eine gute Zigarre, die ich dann mit ihm in meinem Zimmer teilen konnte. Hoffentlich hatte lsabel Oggúns Topf und Eisen nicht angerührt, sonst würde ich sie umbringen.
Plötzlich fing es an zu regnen, und ein heftiger Wind kam auf. Ein wahre Sintflut kam nieder, und ich war im Nu durchnässt. Das Wasser erfrischte mich, und ich blieb am Malecón sitzen. Das Meer war glatt wie ein Teller, das silberne Licht verschwand nach und nach. Der Regen wurde immer heftiger. Ich schloss die Augen und spürte und hörte nur noch, wie das Wasser herabfiel.
Freiheit. In dem Moment wurde mir klar, dass ich wieder frei war und tun konnte, was mir gefiel. Ich konnte herumspazieren, davonlaufen, konnte einer Frau etwas Verführerisches sagen, ihr folgen, sie verliebt machen und noch in derselben Nacht mit ihr ins Bett gehen. Ich fühlte mich frei und glücklich und wurde von Fröhlichkeit erfasst. Der Regen prasselte weiter in Strömen auf mich herab. Er wurde immer stärker und es wurde immer dunkler. Eine Weile später ließ es etwas nach. Die Nacht war hereingebrochen. Ich ging zurück, stieg die Treppen zum Dach hinauf. Mein Zimmer war jetzt leer. lsabel gab mir den Schlüssel und versuchte wieder, mit mir zu reden. Sie hatte Angst vor mir.
»Warum hast du dich so nass regnen lassen?«
»Was geht das dich an?«
»Warte, ich hole dir ein Handtuch.«
»Nein. Hau ab.«
»Na, dann...«
Ich ging in mein Zimmer. Darin war nichts, abgesehen von der zerschlissenen alten Matratze auf der Pritsche, die ich zurückgelassen hatte. In einer Holzkiste in der Ecke lagen die Eisen von Oggún. Ich ging hin, klopfte dreimal an das Holz, begrüßte ihn, bat ihn um Verzeihung, dass ich nicht loszog, um Rum und Tabak zu suchen, vertröstete ihn auf morgen. Ich drehte das Licht aus und warf mich auf die Matratze. Gerade hatte ich die Augen geschlossen, da klopfte lsabel wieder an die Tür und rief mich.
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