Pedro Juan Gutiérrez
Ich machte ihr auf. Sie reichte mir ein Glas Schnaps und eine Zigarre, wagte nicht einzutreten, blieb an der Tür stehen. »Wofür ist das?«
»Ich habe deine Gewohnheiten nicht vergessen.« Ich wollte es zurückweisen, aber sie war schon wieder in ihrem Zimmer. Die Schlampe kannte mich wirklich. Ich tastete mich in der Dunkelheit vor und drehte wieder die Glühbirne an. Dann ging ich zurück zu Oggúns Schachtel. Die Eisen waren voller Staub und Spinnweben. Ich besprenkelte sie mit einem Schluck Schnaps und begrüßte sie. Ich musste mir Oggúns Vertrauen aufs Neue erwerben. Da stand lsabel wieder im Türrahmen. »Hast du Streichhölzer?«
»Nein.«
»Da, nimm.«
Sie reichte sie mir und blieb weiter da stehen. Es gefiel ihr, die liebe Mami zu spielen, dieser blöden Fotze. Ich steckte mir die Zigarre an und blies Rauch über die Eisen. Der Rest war für mich. lsabel stand da und sah mich an. »Ich sehe dich gerne so. Rum trinkend und rauchend.« Ich sah sie an und erwiderte nichts. »Der Bursche ist schon fort. Es war nichts Ernstes.«
»Dein Leben interessiert mich nicht. Erspar mir deine Geschichten.«
»Ich habe einen Teller mit Essen für dich aufgehoben. Für später.«
»Hast du noch einen Schnaps?«
Sie ging in ihr Zimmer, kam mit einer halben Flasche wieder und schenkte mir ein. »Hast du Honig?«
»Für die Eisen?«
»Ja. Er verlangt danach, seit ich eingetreten bin.«
»Ich habe keinen. Aber gleich morgen früh besorge ich dir welchen.«
Ich saß schweigend da und genoss es, in meinem Zimmer zu sitzen, neben der Schachtel von Oggún, Schnaps zu trinken, zu rauchen, mit einem guten Weib nebenan, das sich danach sehnte, von mir gevögelt zu werden. Es begann zu donnern. Ich schaute zur Tür hinaus. Mein Zimmer und das von lsabel sind die einzigen hier oben auf dem Dach mit Blick auf die Karibik. Alle übrigen bilden ein Labyrinth aus faulenden Brettern und Geröll, wo die Leute zwischen Scheiße und Hunger vor Hitze ersticken. In der Ferne über dem Meer war ein Wetterleuchten losgebrochen. Es waren nur die Blitze zu sehen. Der sintflut-artige Regenguss war zu einem dichten Nieseln geworden, und es regte sich kein Wind. Auf den Dachziegeln meines Zimmers veranstalteten die Tropfen eine sanfte, ruhige Melodie. Ich hatte das Gefühl, als habe meine Seele meinen Körper vor uner-messlich vielen Jahren verlassen und kehrte jetzt zurück. Ich spürte, wie sie jedes Eckchen meines Fleisches und Blutes wieder in Besitz nahm, lsabel saß auf dem Bett und wartete auf mich. Ihr Anblick reichte, und schon hatte ich eine Erektion. Diese Mulattin gefiel mir immer noch. Was für ein Recht hatte gerade ich, Treue zu verlangen, der Untreueste aller Sterblichen? Ich schloss die Tür. Langsam zogen wir uns aus. Wir umarmten und küssten uns, streckten uns zusammen aus. Mein Herz ging schneller, und fast hätte ich eine Träne vergossen. Aber ich konnte mich noch zurückhalten. Vor dieser Schlampe wollte ich nicht flennen.
Ganz langsam drang ich in sie ein, streichelte sie dabei, und sie war schon feucht und köstlich. Es war wie der Eintritt ins Paradies. Aber auch das habe ich nicht gesagt. Es war besser, sie auf meine Weise zu lieben, schweigend, ohne dass sie es wusste.
Blick auf die Trümmer
Berta war sechsundsiebzig. Sie wohnte allein im achten Stock, dem vorletzten, in einem Hochhaus auf der San Lázaro, im Zentrum Havannas. Immer, wenn sie auf den Balkon geht, ist sie deprimiert. Unten sieht's aus wie nach einer Bombardierung: nichts als Trümmer. Die zerstörte Stadt grummelt und rumort. Seit langem schon öffnete sie die Balkontür nicht mehr.
Immer öfter suchte sie Zuflucht bei den Erinnerungen, die sie in ihrer Vitrine und in den Schubladen ihrer Kommode verstaut hat. Kleider, Handschuhe, Hüte mit Blumen, Einladungen zu Bällen, leere Flakons französischen Parfüms, Unterwäsche mit holländischer Spitze, hochhackige Schuhe, Schmuckkästchen voller Perlenketten, Armbänder, Halsbänder, Ohrringe, Anhänger. Alles riecht nach dem Zedernholz der Vitrine und Mottenkugeln, und alles ist abgenutzt, vergilbt, zerbrechlich. Seit dreißig, vierzig Jahren wurde nichts davon getragen. Als ihr Mann starb, war sie dreiundsechzig, er vierundneunzig. Er war ein angesehener Arzt in Havanna gewesen. Geliebt hatte sie ihn nie, auch körperlich hatte sie sich nie von ihm angezogen gefühlt. Als sie sich kennen lernten, war sie ein entzückendes junges Mädchen von achtzehn gewesen, er ein reifer
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