Pedro Juan Gutiérrez
nichts, was von Punkt A sauber zu Punkt B verläuft und dessen Linie sauber vom Ausgangspunkt bis zum Ziel nachzuzeichnen ist. Nein, man brauchte gar nicht erst versuchen, treffend und vernünftig zu sein und ein lineares, exaktes Leben zu führen. Das Leben ist ein Glücksspiel.
Ich, der Geschäftsmann
Viele Monate lang schleppte ich Zementsäcke und Ziegelsteine und Eimer zum Anmischen. Abends war ich erledigt, aber Miriam wartete auf mich mit ihrer ganzen Zärtlichkeit und etwas Rum und Essen, genau wie hinterher, als ich komfortabler lebte und dummes Zeug für den Radiosender schrieb. Miriam war Balsam für mich. Wir tranken etwas Rum, und sie machte mich geil und wir vögelten wie die Blöden. Erst spät in der Nacht kam ich dazu, mich zu duschen. Ihr gefiel mein Schweißgeruch, der »Geruch nach Mann«, wie sie sagte. Er war stark, denn sie ließ nicht zu, dass ich Deodorant benutzte.
Ich wusste, dass ich mit meinen Fünfundvierzig, der harten Arbeit in der Sonne, mit Miriam, die mir ein-, zweimal am Tag den Saft nahm, und dem bisschen Fisch mit Reis nicht lange durchhalten würde. Ich spürte, dass ich krank wurde. Mein Körper lässt mich wissen, wenn etwas nicht stimmt. Mir taten die Nieren weh.
Da sah mich eine alte Freundin aus Journalistentagen auf der Straße und bot mir Hilfe an. Ich war zwar bei Kräften, wirkte aber ausgezehrt und schlecht ernährt. »Pedro Juan, ich will meinen Kühlschrank verkaufen. Für zehntausend Pesos gebe ich ihn her. Such mir einen Käufer.« Wir gingen zu ihr, um den Apparat anzusehen, und er war gut. Man konnte fünfzehntausend Pesos dafür rausschlagen. Okay. Ich würde fünftausend für mich abzweigen, und das war Pedro Juans Dreijahresgehalt als Bauarbeiter. Jedenfalls musste ich ihn verkaufen, oder ich würde beim Schleppen von Zement und Ziegelsteinen an Flüssigkeitsmangel krepieren. Ich hatte alles Mögliche von der Baustelle mitgehen lassen: Zement, Werkzeuge, feine Beschläge, Türklopfer aus Bronze und anderes in der Art. Irgendjemand (ich weiß nicht mehr, wer) hat einmal gesagt, Eigentum sei Diebstahl. Es ist nicht dasselbe, von mächtigen Leuten zu klauen, die mehr als genug besitzen und überhaupt nicht merken, wenn ihnen das eine oder andere fehlt, oder einem armen Teufel mit einer Fahrradwerkstatt, der so beschissen dran ist wie du, den Schraubenschlüssel zu stehlen. Jedenfalls half mir das zu überleben. Ich verkaufte diese Sachen, und wir kamen ein bisschen besser zurecht. Dann schlich ich um eine Luxusboutique herum, die von einer italienischen Diva in Miramar betrieben wurde. Wem zum Teufel konnte man bitte 1994 in Kuba solche modischen Pummel für vierhundert Dollar verkaufen? Aber irgendwie gelang es der Schlampe. Es war zwecklos. Niemand konnte so intelligent sein, um in einen dermaßen geschützten Laden einzubrechen. Ich war nur von abgestumpften Leuten umgeben. Deswegen waren sie auch alle am Arsch: weil sie abgestumpft waren. Und deshalb waren sie auch so abgestumpft: weil sie so am Arsch waren.
Also beschloss ich, den Kühlschrank zu verkaufen. Außerdem war es mir ganz recht, eine Zeit lang aus Havanna zu verschwinden, denn als ich um die Boutique herumschlich, stellte mich ein Polizist - stets traf ich dort denselben Polizisten, er war wie ein Schatten - und verlangte meine Papiere, überprüfte mich im Computer und erfuhr, dass man mich vom Journalismus ausgeschlossen hatte und so manches mehr; darunter auch, dass ich so gut wie erledigt war, mich aber immer noch an einen Strohhalm in der Brandung klammerte und meinen Kopf kaum über Wasser zu halten vermochte. Der Scheißkerl ahnte, warum ich da herumschlich -nicht, dass das sehr schwierig war -, und drohte mir mit Vorbeugehaft, was wirklich eine fabelhafte Erfindung ist: Sie stecken dich ins Loch, nur weil sie das Gefühl haben, du hättest etwas Schräges vor. Anscheinend erfahren sie's per Telepathie. Und so schützen sie dich vor dir selbst. Der Typ war verschlagen und hatte eine Häscherseele. Man hatte ihm die Illusion seiner Macht ziemlich gut ins Hirn getrichtert. Das ist die einzige Art, wie man sich Söldner heranzieht. Man muss sie nur davon überzeugen, dass sie Teil der Macht sind. In Wirklichkeit dürfen sie sich dem Thron der Macht nicht einmal nähern. Deshalb sucht man sich auch Provinzler dafür aus und völlig Verkorkste. Sind die Jahre dann um, bleibt ihnen nur der bittere Nachgeschmack von Versagen und Zeitvergeudung. Sie haben die Macht der Waffen
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