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Pedro Juan Gutiérrez

Pedro Juan Gutiérrez

Titel: Pedro Juan Gutiérrez Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schmutzige Havanna Trilogie
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Lösung besteht darin, mit diesen Sehnsüchten leben zu lernen. Mit ein bisschen Glück kann das Traurige, Deprimierende der Sehnsucht zu einem Funken werden, der uns Neuem entgegenschießt, einer neuen Liebe, einer neuen Stadt, einer neuen Zeit - ob nun besser oder schlechter, jedenfalls anders. Und danach streben wir alle jeden Tag: unser Leben nicht in Einsamkeit zu vergeuden, einem Menschen zu begegnen, uns ein wenig hinzugeben, jede Routine zu meiden, unseren Anteil am Fest zu genießen.
    An diesem Punkt befand ich mich immer noch. Gelangte immer wieder zu denselben Schlüssen. Der Wahnsinn lauerte an jeder Ecke, und ich wich ihm aus. In der kurzen Zeit war zu viel geschehen, als dass ein einzelner Mensch es hätte verkraften können, und ich verließ Havanna für ein paar Monate. Ich lebte in einer anderen Stadt, ging ein paar Geschäften nach, verkaufte einen gebrauchten Kühlschrank und ein paar andere Dinge, während ich mit einer Verrückten zusammen war - verrückt im wahrsten, unverdorbensten Sinn -, die mehrmals im Gefängnis gesessen und den Körper voller Tätowierungen hatte. Am meisten gefiel mir eine auf der Innenseite ihres linken Oberschenkels. Es war ein Pfeil, der auf ihr Geschlecht wies mit der Aufschrift: LECK MIT GENUSS. Auf einer Pohälfte stand: BESITZ VON FELIPE, auf der anderen: NANCY ICH LIEBE DICH. Auf dem linken Arm stand in großen Buchstaben eingraviert: JESUS. Und auf den Handknöcheln waren Herzen mit den Initialen einiger Liebhaber.
    Olga war kaum dreiundzwanzig, hatte aber schon ein wildes Leben voller Marihuana, Alkohol und Sex jeder Art hinter sich. Irgendwann einmal hatte sie Syphilis gehabt, aber die war jetzt überstanden. Einen Monat lang blieb ich bei ihr, und wir hatten viel Spaß. Das Leben in Olgas Zimmerchen war wie ein Pornofilm. Ich lernte in jenen Tagen so viel Neues, dass ich vielleicht doch einmal ein Handbuch der Perversionen herausgebe.
    Mit genug Geld, um eine Zeit lang nicht arbeiten zu müssen, kehrte ich nach Havanna zurück und traf eine völlig aufgeregte Miriam an.
    »Verschwinde so schnell du kannst. Er hat alles herausgekriegt und will dich umbringen!«
    Sie war voller blauer Flecken, und die linke Augenbraue war aufgeplatzt. Nach drei Jahren war ihr Mann freigelassen worden und musste seine Haftstrafe von zehn Jahren nicht weiter absitzen. Er hatte kaum das Haus betreten, in dem Miriam wohnte, da setzten ihn gleich seine Freunde über sie und mich ins Bild. Fast hätte er sie totgeschlagen. Dann hatte er sich ein Schlachtermesser geschnappt und geschworen, er würde nicht eher ruhen, bis er mir die Gurgel durchschnitten hätte.
    Der Kerl war gefährlich, also wollte ich lieber aus dem Colón-Viertel verschwinden, bis sich seine Wut gelegt hatte. Allerdings wusste ich nicht, wohin. Ich suchte Ana María auf und erzählte ihr meine Geschichte. Sie ließ mich zwar für ein paar Nächte bei sich wohnen, aber im Grunde genommen störte ich nur ihre Liebschaft mit Beatriz. Ich konnte in der Dunkelheit mit anhören, wie sich die beiden liebten und Beatriz den männlichen Part übernahm, und das erregte mich wahnsinnig. Ich onanierte wie blöd, bis ich es eines Tages nicht mehr aushielt. Ich stand auf und ging mit stocksteifem, steil aufgerichtetem Schwanz hinüber zum Bett der beiden und knipste das Licht an. »Hoch, ihr zwei, jetzt machen wir's zu dritt!« Beatriz war auf einen solchen Angriff vorbereitet. Sie langte unters Bett und zog ein dickes Elektrokabel hervor, eines von diesen bleigefüllten, und stürzte sich wie eine Wildkatze auf mich.
    »Die Kleine gehört mir, du blöde Schwuchtel, fick dich selbst oder deine Mutter!«
    Ich hatte nicht gewusst, wie stark eine Frau sein konnte. Wild drosch sie auf mich ein, zerschlug mir Lippen und Zähne, brach mir die Nase, und ich lag am Boden, betäubt von den Kabelschlägen, die weiter auf mein Gesicht niederprasselten.
    Halb besinnungslos hörte ich Ana María schreien, sie solle aufhören. Dann spritzten sie mir ein bisschen kaltes Wasser ins Gesicht und zerrten mich hinaus auf den Korridor im Treppenhaus. Dort ließen sie mich liegen und schlössen die Tür hinter sich zu.
    »Dieser undankbare Scheißkerl! Niemandem kann man trauen, Ana María, niemandem.« Lange lag ich so da. Ich hatte keine Kraft, aufzustehen, und Rippen und Schultern taten mir weh. Schließlich gab ich mir einen Ruck und kam auf die Beine. Wenn Beatriz mich immer noch daliegen sah, wäre sie imstande, weiter auf mich einzuschlagen,

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