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Pedro Juan Gutiérrez

Pedro Juan Gutiérrez

Titel: Pedro Juan Gutiérrez Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schmutzige Havanna Trilogie
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Ich hatte noch die halbe Flasche und einen Joint. Ich weckte sie auf. Sie trank und rauchte, und dann vögelten wir noch ein bisschen.
    Miriam war eine Mulattin, nicht sehr groß, unterernährt, aber hübsch und wohlproportioniert. Dünne Frauen mag ich nicht, keine, die nur Haut und Knochen sind, und auch keine fetten. Miriam konnte fünf, sechs Kilos mehr vertragen. Sie war einunddreißig, hatte einen zweijährigen Sohn und einen Mann, angeblich kohlrabenschwarz, der zu zehn Jahren Knast verdonnert worden war. Zwei davon hatte er schon abgesessen. Er hatte versucht, einen Polizisten zu töten. Der Junge musste von ihm sein, denn auch er war sehr dunkel. Viel dunkler als seine Mutter. Das Schönste an Miriam war ihre Schamlosigkeit. Sie erzählte mir ihre Männergeschichten in allen Details.
    Eine Zeit lang hatte sie Touristen auf dem Malecón und in den Hotels im Zentrum abgeschleppt.
    »Wenn du mich damals hättest sehen können, Schätzchen, hübsch und rund, mit prallem Arsch, aber dann lernte ich diesen schwarzen Kerl kennen, und die Schwierigkeiten begannen; ich bin verrückt nach schwarzen Männern. Und wie! Und mit diesem Knacki habe ich jetzt den Jungen. Nimm's mir nicht übel, aber er ist einfach ein ganzer Kerl; du bist lieb, aber er hat etwas... ich weiß nicht was. Ich kann es nicht erklären. Wenn er Freigang hat, musst du von hier verschwinden. Manchmal kommt er überraschend übers Wochenende her.«
    Nach ihrer Niederkunft hatte sie niemanden, der auf das Baby aufpassen konnte, also ging sie nicht mehr anschaffen und war wieder arm. Ihre Schamlosigkeit grenzte an Vulgarität. Und das gefiel mir. Jeden Tag wurde ich unverschämter. Sie mochte die Tiefschwarzen, so dunkel wie möglich, weil sie sich dann überlegen vorkam.
    »Sie sind Schweine, aber ich befehle: Los, runter mit dir! Und ich bin oben, weil ich hell bin wie Zimt.« In Wirklichkeit war sie heller als Zimt, und nach den Farbnuancen bewertete sie auch jeden: Je dunkler, umso niedriger auf der Skala, je heller, desto höher. Ich versuchte ihr klar zu machen, was für ein Unfug das war, aber sie wollte nichts davon hören. Na wenn schon, sollte sie doch glauben, was sie wollte. Am Anfang meiner Scheißarbeit als Journalist hatte ich mich immer als Herr der Wahrheit gefühlt und versucht, die Vorstellungen der Leute zu ändern, und das versuchte ich jetzt nicht mehr.
    In meinem mehr als zwanzig Jahre langen Journalistendasein durfte ich dem Leser nie auch nur den geringsten Respekt erweisen und die Intelligenz anderer achten. Nein, ich musste immer so schreiben, als würden mich nur dumme Leute lesen, denen die Ideen mit Gewalt ins Gehirn eingetrichtert werden mussten. All das lehnte ich ab und pfiff irgendwann auf die elegante Prosa, die vorsichtig vermied, was gegen die guten Sitten verstieß. Schluss mit dem Posieren, dem Lächeln, dem Nettsein, der adretten Kleidung, der frischen Rasur, dem Duft nach Rasierwasser und der präzise eingestellten Uhr am Handgelenk. Und mit dem Glauben, all diese Dinge seien unvermeidlich und währten ewig. Mir ging langsam auf, dass nichts ewig währt. Ich fühlte mich wohl in dem stinkenden Haus, mit seinen nicht im geringsten gebildeten oder intelligenten Bewohnern, die von nichts auch nur die blasseste Ahnung hatten und sich irgendwie durchwurstelten oder durch Schreie, Beschimpfungen, Gewalt und Schläge alles nur noch schlimmer machten. So standen die Dinge - zum Teufel mit allem. Ich blieb eine Weile. Mir gefiel Trocadero. Ein Stückchen weiter, in Nummer 162, hatte Lezama Lima gewohnt. Er starb 1976. Neben der Tür ist eine Plakette angebracht, aber nur wenige ältere Nachbarn erinnerten sich 1994 an ihn. »O ja, der dicke, alte Mann! Immer sehr elegant in Anzug und Krawatte, und seine Frau war verrückt. War er schwul oder so?«
    Lezama aß oft in der Pizzeria Bella Napoles nebenan. Dort haben sie jetzt nicht mal mehr Brennstoff, um zu kochen. Auf dem Schottergrundstück gegenüber haben sie sich einen rustikalen Holzofen gebaut. Darauf kochen sie ein bisschen Fischsuppe und Reis, so gut sie können. Frühmorgens stellte sich Miriam an, und gegen Mittag konnte sie dann eine Ration kaufen. Davon lebten wir. Als die Klärgrube überschwappte, wurde mir das Zimmer zu eklig. Die stinkende schwarze Brühe überflutete den Flur des Gebäudes. Dort stand sie dann ein, zwei Tage, bis sie endlich wieder abgeflossen war. Die Frauen wischten ein bisschen auf und beschimpften alles und jeden, der ihnen gerade in

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