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Pedro Juan Gutiérrez

Pedro Juan Gutiérrez

Titel: Pedro Juan Gutiérrez Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Schmutzige Havanna Trilogie
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kriegte ihn nicht mal ein Viertel hoch. Sie war fix und fertig. Ich glaube, das hat sie ganz schön beleidigt. Wir zogen uns an und verließen mein Zimmer.
    Danach ging sie nie wieder mit mir aus, musste aber weiter die Feuerlöscher inspizieren, und nach und nach wurden wir Freunde. Wir brauchten viele Jahre, um Freunde zu werden.
     

 
     
Verwurzelt in Niemandsland
     
    Ich war aus Malaga zurückgekommen und hurte ganz schön rum. Malaga war ein großer Schlag für mein Herz gewesen, aber darüber möchte ich jetzt nicht reden. Noch nicht. Ich werde ein paar Jahre brauchen, ehe ich darüber sprechen kann, was mir in Malaga wirklich widerfahren ist. Ich kann nur sagen, dass Träume große Scheiße sind. Wir Menschen sollten unsere Träume verscheuchen, fest auf dem Boden stehen und sagen: »Verflucht, so ist's und nicht anders! Ich stehe mit beiden Beinen auf dem Boden. Sollen die Winde ruhig stürmen.« Es ist die einzige Möglichkeit, sich ohne allzu große Havarie durchs Leben zu manövrieren oder abzusaufen; so läuft höchstens ein bisschen Schmutzwasser in den Kielraum.
    Na, jedenfalls hurte ich gehörig umher, trank viel Rum und schlief kaum. Aber in Wahrheit tat mir das ganze Herummachen gar nicht mehr gut. Ich musste irgendwie Wurzeln schlagen und alle Zärtlichkeit und das Bedürfnis, jemanden zu lieben und all diese Dinge, vergessen. Schluss jetzt. Ich ließ mir ein dickes Fell wachsen und wusste, dass eine Frau auf mich in Rio wartete, eine weitere in Buenos Aires, nicht mitgezählt die Mulattinnen und schwarzen Weiber in Havanna. Aber tatsächlich wurde mit den Frauen alles ziemlich schwierig nach dem Schlag am Mittelmeer. Mittags lege ich mich ein Stündchen hin, aber mein Zimmer ist im achten Stock auf einer Dachterrasse, die aufs Meer hinausgeht. Und es gibt hier noch mehr Zimmer für Leute wie mich. Oder noch ärmere, die fast nicht lesen und schreiben können. Egal, jedenfalls habe ich nichts anderes. Da kamen zwei Mädchen raus auf die Terrasse und fingen an, ein paar Schwarzen, die auf dem Malecón spazieren gingen, zuzurufen: »Zeig ihn doch mal. Bestimmt hast du gar keinen! Oder höchstens 'nen winzig kleinen. Ha, ha, ha. Lass mal sehen... Oh, wie schwarz er ist... Zieh ihn noch mal raus, damit dich die Bullen gleich kassieren können.« So ging das eine halbe Stunde lang, und sie schrien aus vollem Hals von der Dachterrasse hinunter auf die Straße. Dabei konnte ich nicht schlafen. Also ging ich zur Tür. »Hört mal, warum geht ihr nicht einfach runter und macht's den beiden und lasst mich verdammt noch mal schlafen!«
    »Ach nee, Pedro Juan muss mitten am Tag sein Schläfchen halten. Warum gehst du nicht selbst und holst ihnen einen runter, du scheißbürgerlicher Glatzkopf?«
    »Weil ihr sie anheizt. Und ihr beiden kriegt von mir gleich eine Abreibung, die sich gewaschen hat, wenn ihr nicht sofort aufhört, so eine gequirlte Scheiße von euch zu geben. Lasst es und haut ab!«
    Sie mussten noch ein paar Dinge loswerden, dann trollten sie sich in ihre Zimmer und legten eine Kassette mit Salsa ein, NG La Banda oder irgendwas in der Art. Wummernd. Es schien, als wollte das Orchester die Wände einstürzen lassen. Langsam tat mir der Kopf weh. Zum Glück hatte ich keine Pistole zur Hand, denn in solchen Momenten werden meine kriminellen Instinkte wach. Ich stand auf, mein Blut brodelte. Ich ging wieder hinaus aufs Dach und setzte mich einen Moment auf die Mauer. Das Wetter schlug um. So ist die Karibik. Eben ist der Himmel noch blau und die Sonne strahlt, plötzlich bewölkt es sich, der Wind frischt auf und die Wellen türmen sich. In wenigen Stunden kann ein Zyklon aufziehen und über alles hinwegfegen. Ein solcher schien sich gerade zusammenzubrauen. Ich ging zurück in meine Hütte, und kurz darauf kam ein Junge mit einer Nachricht von Dalia, meiner Nachbarin unter mir. Das kam mir gelegen, denn wenn der Zyklon das Dach abräumen sollte, würde ich es nicht mit ansehen müssen. Und das war immerhin etwas. Langsam gequält zu werden oder ein harter Tritt in die Eier sind zweierlei Dinge. Ich ging hinunter. Dalia war eine alte Frau im Sterben. Aber das wusste sie nicht. Sie wohnte im siebten Stock und wollte, dass ich eine verrottete Tür, die aus den Angeln war, reparierte. Die Tür ging auf einen kaputten Balkon und hing mit halb ausgerissenen Scharnieren in der brüchigen Wand. Ich versuchte, sie so gut ich konnte wieder instand zu setzen, aber da fing es furchtbar an zu regnen und zu

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