Pedro Juan Gutiérrez
Das muss man trainieren, aber man kommt dahin. Nach vielen Tritten in den Arsch und in die Eier lernt man am Ende, ein bisschen hart zu sein und die Dinge frontal anzugehen und zu kämpfen, warum auch immer. Man hat keine Wahl. Anders kann man nicht leben, oder?
Das war der Gang der Dinge. Ich mit meinen Dosen und der Mexikaner, der täglich esoterischer wurde. Seine Obsession war das Meer. Manchmal setzten wir uns abends einen Moment auf die Dachterrasse, und er erklärte mir, er müsse lernen, die Energien des Ozeans in sich aufzunehmen (nie sprach er vom Meer - die Leute vom Kontinent denken in größeren Dimensionen). Es war etwas anderes, ob man reinste kosmische Energien in felsigen Berghöhen empfing oder in dieser riesigen blauen warmen Weite der Karibik. Eine Zeit lang zog er an den Strand. Ich glaube, er mietete ein Zimmer in Santa María. Mir erzählte er, er wolle einige Tage im Sand fasten und meditieren, an irgendeiner abgelegenen Stelle. Ich beachtete kaum, was er sagte, gab ihm nur einen Rat: »Mach meinetwegen, was du willst, aber du wirst verdammt noch mal vor die Hunde gehen, wenn du dich weiter nur von Brot und Kräutern ernährst. Iss etwas, bevor du gehst. Magst du keinen Reis mit Bohnen?« Er lächelte herablassend, drückt mir stumm die Hand und ging. Vier Tage später kam er wieder, in Begleitung einer süßen Mulattin mit reizendem Lächeln und perfektem Körper. Er behauptete, sie sei sechzehn, aber ihr Blick war der einer alten Henne. »So viel zur Esoterik des Mexikaners«, dachte ich und behielt recht. Sie hieß Greis, nicht Grace, und zeigte mir ihren Personalausweis, den sie immer bei sich trug, denn die Polizei verlangte ihn täglich zwanzigmal von den Schwarzen, insbesondere wenn sie nach Strich rochen. Außerdem brachte der Typ eine Tüte mit zwei Flaschen Rum, Käse, Keksen, Schokolade und ein paar Büchsen Schinken mit. Keine Spur mehr von Stille, Kräutern und Roggenbrot. Grace suchte im Radio nach Salsa, öffnete eine Flasche Rum, und eine Stunde später fühlten wir uns richtig wohl. Sie tanzte mit mir, und ihre Zunge war noch gelöster als sonst. »Ach, wenn dieser Idiot mich nur heiraten und von hier wegbringen würde«, flüsterte sie mir ins Ohr, nachdem sie mich gebeten hatte, ihr ein Sandwich mit Käse und Schinken zu bereiten. Sie wollte das nicht selbst tun, »damit er nicht denkt, dass ich hinter seinem Geld her bin. Aber ich sterbe vor Hunger.«
»Komm schon Kleine, mach dir nichts vor. Wie willst du diesen Burschen heiraten? Siehst du nicht, was für ein Trottel er ist?« »Er kann nicht mal vögeln, aber das werde ich ihm schon beibringen. Leider hat er nur ein kleines Schwänzchen, das ich nicht mal spüre. Aber das macht nichts. Er hat schon gesagt, dass er mich heiratet. Er ist total scharf auf mich.« »Was hast du bloß mit ihm angestellt, Kindchen?«
»Ich habe ihn durchgebumst, von vorne bis hinten. Schwänze machen mich verrückt, Schätzchen. Wenn ich einen Schwanz sehe, der mir gefällt, verliere ich den Kopf. Seiner gefällt mir zwar nicht, aber ich denke ihn mir schön und bring alles hinter mich.«
Wir tranken die Flasche aus, und begaben uns auf Graces Vorschlag hin zu ihr nach Hause, um ihre Mutter kennen zu lernen und eine ihrer Freundinnen dazuzuladen und Essen und Trinken für den Abend einzukaufen.
Grace wohnte ganz in der Nähe in der Calle Industria. Das Mietshaus war nicht sehr groß. Ihre Wohnung war kleiner als mein Zimmer: drei mal vier Meter, vollgestopft mit Möbeln und Gipsfiguren an den Wänden. Eine Holztreppe führte hinauf in einen Behelfswohnraum, wo sie mit ihrer Mutter schlief, einer dicken, gutmütigen Frau, die in einer Pizzeria arbeitete und uns empfing, als seien wir wer weiß wer. Der Mexikaner ließ Grace keinen Moment in Ruhe; wie ein Krake klammerte er sich an die Mulattin. Ich hasse solche Arschkriecher. Aber so ist das eben. Arschkriecher tauchen immer dort auf, wo man sie am wenigsten erwartet. Schließlich gelang es Grace, sich einen Augenblick von dem Blutegel loszumachen, und sie verschwand in einen anderen Teil des Gebäudes. Ein paar Mal rief sie mich, damit ich meinen Kopf zur Tür raussteckte. Ihre kleinen Freundinnen sahen mich an, tuschelten miteinander, und am Ende musste ich solo wieder abziehen. Dabei bin ich gar nicht so hässlich. Keine Ahnung, was für ein Scheiß da gespielt wurde. Schließlich verabschiedeten wir uns von der Dicken, die dem Mexikaner sogar ihre Wohnung anbot:
»Wenn Sie wollen,
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