Pedro Juan Gutiérrez
erzählte ich dem Alten, und wir unterhielten uns ein bisschen. Ich hatte bereits eine halbe Flasche Rum intus und war insofern gesprächig und unterhaltend. Eine Stunde und diverse Schlucke später (irgendwann trank er dann doch mit mir) gab mir der Alte einen Anhaltspunkt: Er hatte im Theater gearbeitet.
»In welchem? Im Marti?«
»Nein, im Shanghai.«
»Ach, und was haben Sie dort gemacht? Ich habe gehört, es war so 'ne Art Striplokal. Stimmt es, dass sie es gleich zu Anfang der Revolution geschlossen haben?« »Ja. Aber ich habe dort nicht lange gearbeitet. Ich war Superman. Immer warb es ein Plakat nur für mich. ›Superman, einzigartig auf der Welt, exklusiv in diesem Theater.‹ Willst du wissen, wie lang mein Schwanz voll ausgefahren war? Dreißig Zentimeter. Ich war ein Phänomen. Und so wurde ich angekündigt: ›Ein Naturphänomen... Superman... dreißig Zentimeter - ein Fuß Superschwanz... hier für Sie... Superman! ‹«
»Sie allein auf der Bühne?« »
Ja, ganz allein. Ich kam in einem rot-blauen Seidencape heraus. In der Mitte der Bühne blieb ich vor dem Publikum stehen, schlug mein Cape mit einer Armbewegung auf und stand nackt, mit hängendem Schwanz, da. Ich setzte mich auf einen Stuhl und sah scheinbar ins Publikum. In Wirklichkeit aber sah ich zu einem weißen blonden Mädchen hinüber, das man für mich auf ein Bett in die Seitenkulissen gesetzt hatte. Diese Frau machte mich verrückt. Sie rieb sich, und wenn sie heiß war, kam ein Weißer, und sie machten alles, was man sich nur denken kann. Alles. Es war unglaublich. Aber niemand konnte sie sehen. Sie waren nur für mich da. Beim Zusehen wurde mein Schwanz immer steifer, bis er fast platzte, und ohne ihn auch nur anzufassen, kam ich. Ich war Anfang zwanzig und verschoss so viel Saft, dass all die Scheißer in der ersten Reihe in seinen Genuss kamen.«
»Und das jede Nacht?«
»Jede Nacht. Ohne eine auszulassen. Ich verdiente gutes Geld, und wenn ich meinen Riesenstrahl abspritzte und stöhnte und die Augen verdrehte, kloppten sich diese Idioten im Publikum darum, davon getroffen zu werden wie von einer Papierschlange zu Karneval, und warfen mir Geld auf die Bühne und stampften mit den Füßen und riefen: ›Bravo, bravo, Superman!‹ Das war mein Publikum, und ich war der Künstler, der sie glücklich machte. Samstags und sonntags verdiente ich mehr, weil dann das Theater voll war. Ich wurde so berühmt, dass Touristen aus der ganzen Welt kamen, mich zu sehen.« »Und warum haben Sie's aufgegeben?« »Wie das Leben so spielt. Mal bist du oben, mal unten. Mit zweiunddreißig wurde mein Sperma weniger, und manchmal war ich unkonzentriert, und mein Schwanz schlaffte ab, ehe er sich wieder aufrichtete. Immer öfter kam ich nicht. Ich war schon fast verrückt von den Anstrengungen im Gehirn. Ich nahm pulverisiertes Schild-krötenpatt und Ginseng. In der chinesischen Apotheke in Zanja mischten sie mir ein Zeug, das zwar half, mich aber völlig flatterig machte. Niemand konnte sich vorstellen, was es für mich bedeutete, so meinen Unterhalt zu verdienen. Ich hatte eine Frau. Wir waren mehr oder weniger unser ganzes Leben lang zusammen, seit ich nach Havanna gekommen war bis zu ihrem Tod vor einigen Monaten. Seinerzeit hatte ich bei ihr nicht kommen dürfen. Wir bekamen keine Kinder. In zwölf Jahren hat meine Frau kein Sperma von mir gesehen. Sie war eine Heilige. Sie wusste, wenn wir gottbefohlen vögelten und ich kam, würde ich abends nicht im Shanghai auftreten können. Ich musste meinen Saft über vierundzwanzig Stunden für meinen Auftritt als Superman sammeln.«
»Wahnsinnige Disziplin!«
»Entweder hielt ich sie durch, oder ich verhungerte. Es war damals nicht leicht, Geld zu verdienen.«
»Ist heute nicht anders.«
»Ja, die Armen kommen auf die Welt, damit die anderen auf sie scheißen.«
»Und was geschah dann?«
»Nichts. Ich blieb noch als Programmfüller eine Zeit lang im Theater, legte eine kleine Nummer mit einer Blondine hin, die den Leuten gefiel. Wir wurden als ›Superschwanz und Goldlöckchen, das geilste Paar der Welt‹ angekündigt. Aber es war nicht dasselbe. Ich verdiente damit sehr wenig. Dann schloss ich mich einem Zirkus an. Ich spielte den Clown, versorgte die Löwen, war der Basismann der Artisten. Von allem etwas. Meine Frau schneiderte und kochte. So lebten wir viele Jahre. Das Leben ist wirklich verrückt. Immer gibt es irgendwelche unerwarteten Wendungen.« Wir nahmen wieder einen Schluck aus der
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