Peehs Liebe
bevorstehenden Spiel gegen Jünkerath. Ich trank mit Evros Kaffee und schippte dann Schnee von der Treppe und vom Bürgersteig. Den Rest des Tages fuhr ich mit Karl Höger im Steinlaster durch die verschneiten Landschaften Kanadas, der Boden dort war vom Dauerfrost hart wie Beton, die Sonne tauchte die unendlichen Weiten der Schneeprärie in elegantes kühles Licht. Höger erzählte, dass wir nun von Québec über Winnipeg an der Hudson Bucht vorbei, Material für die Bohrtürme nach Inuvik, oben am Nordpolarmeer, transportierten. Irgendwann stieg ich bei Kathy aus und erzählte ihr, dass unsere Mannschaft am nächsten Sonntag unbedingt gegen Jünkerath gewinnen müsse.
Am Nachmittag traf ich Leo in der Cafeteria des Supermarkts, bevor er mit dem Zug zur Abendschule fuhr. Er hatte sich an der Theke Kaffee geholt. Als er am Tisch saÃ, schüttete er den übergeschwappten Kaffee von der Untertasse in den Becher zurück, legte eine Papierserviette unter, lächelte, nippte am heiÃen Kaffee und fragte, wo ich denn wieder überall in der Weltunterwegs gewesen sei. Den Rest des Tages und die darauffolgende Nacht fuhr ich wieder mit den Steinlastern. Auf diese Weise bin ich überall hingekommen. Höger gab den Gegenden, durch die wir fuhren, Namen aus der Fremde, in denen er gewesen war oder in die er selbst gern reisen würde. So habe ich als Beifahrer von Höger alles gesehen, die Wüste Gobi, Bejschan, mongolische Steppen und riesige Grasländer. Wir fuhren an Salzseen vorbei, die einmal das Bett eines Meeres gebildet hatten, durch Geröllwüsten, Sandwüsten mit Dünen so hoch wie Eifelberge, wir sahen heilige Seen und lamaistische Klöster, rauschten über eine SchnellstraÃe, die von Xinjiang bis ins östliche China führte. Ich saà neben Höger, hörte ihm zu und glaubte, das alles wirklich zu sehen.
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Annie saà im Stationszimmer. Niemand von den alten Leuten klingelte oder rief in dieser Nacht nach Hilfe. Heute schien jeder in der Stille seine geheimen Gedanken zu haben. Annie glaubte nun zu wissen, dass es nirgendwo auf der Welt etwas Besonderes gab und man nur glücklich sein konnte, wenn man das verstanden hatte.
Bei manchem, was Rosarius ihr erzählte, wusste Annie nicht, ob es tatsächlich stimmte. Vielleicht erträumte er sich auch nur eine Geschichte, so wie wir alle mehr oder weniger unser Leben im Träumen erschaffen.
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A ls wir gegen Jünkerath spielten, war es neblig und dampfig wie in einer Waschküche, der Schnee war über Nacht getaut und der FuÃballplatz glich einer riesigen Schneematschpfütze. Vor meinem Tor bewegten sich konturlose Schemen, wie in einem schlechten Geisterfilm. Trotz des schlechten Wetters waren viele Zuschauer da, so viele wie noch nie bei einem Spiel unserer Mannschaft. ClaÃen lief an der Seitenlinie entlang und brüllte Anweisungen, die aber niemand von uns verstand. Er hatte vor dem Spiel überall damit geprahlt, dass wir gewinnen würden. Kall würde durch seine Spieler wieder ein bedeutendes Städtchen werden wie in der Zeit, als es dort noch Bergwerke und Verhüttungsanlagen gab. Dann könne man endlich wieder stolz sein, ein Kaller zu sein. Wir bemühten uns, aber die Jünkerather waren um Klassen besser. Wir kamen einfach nicht an den Ball. Wir rutschten aus, lagen mehr auf dem Boden, als dass wir liefen. Sie schossen ständig auf mein Tor. Ich hielt alles, und das Publikum klatschte und grölte: «Rosarius, Rosarius». In der Halbzeitpause verlangte der Jünkerather Trainer meine Auswechslung. Er behauptete, mit mir stimme etwas nicht. Wir saÃen vor Kälte zitternd mit klatschnassen Trikots in der Umkleide. ClaÃen schrie, wir müssten mit Mann und Maus verteidigen, nur Leo, der gut dribbeln konnte, solle an der Mittellinie auf einen Abstauber lauern, seine Chance nutzen und den Ball allein reinmachen. Genauso spielten wir nach der Halbzeit. Es blieb uns auch gar nichts anderes übrig, als mit allen zur Verfügung stehenden Spielern zu verteidigen.Kurz vor Spielende wehrte ich einen Schuss gerade eben mit den Fingerspitzen ab, der Ball bekam Spin, so dass er sich langsam hinter mir in Richtung Torlinie drehte. Ich fischte ihn raus, bevor ein Jünkerather ihn endgültig über die Linie spitzelte, dann lief ich mit dem Ball bis zum Sechzehner und schlug ihn so weit es ging nach vorne. Zufällig landete er
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