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Peetz, Monika

Peetz, Monika

Titel: Peetz, Monika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Dienstagsfrauen
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den
Gang.
    Erschreckt
verbarg Eva sich in einer dunklen Ecke, in der Staub von Jahrzehnten darauf
wartete, ihr in die Nase zu steigen und zu einem verräterischen Niesanfall zu
verhelfen. Sie hatte genug Energie wegzulaufen. Sie hatte jedoch keine Kraft,
ihre Entscheidung vor den Freundinnen zu verteidigen.
     
    Die
Dienstagsfrauen überzeugten sich gerade davon, dass es einen guten Grund gab,
warum die Franzosen kein eigenständiges Wort für Frühstück brauchten. Der
Morgenimbiss wurde schlicht als »petit dejeuner« bezeichnet, als »kleines
Mittagessen«, und war gewöhnungsbedürftig. Estelle kaute missmutig auf Baguette
mit Schmelzkäse herum, Caroline trank Ricore, diese eigentümliche
Pulvermischung aus Kaffee und Zichorien, und Judith verzichtete ganz. Sie
brütete über einer Landkarte, die sie mit Angaben in Arnes Tagebuch verglich.
    8.02 Uhr.
Eva zweifelte: Sollte sie das Risiko eingehen, auf dem Weg nach draußen ertappt
zu werden? Eva war klar, dass ihre Freundinnen sie nicht einfach so ziehen
lassen würden. Genauso klar war ihr, dass sie dem verbalen Ansturm von Argumenten
nicht standhalten würde. Der Hinterausgang blieb die einzige Option. Sie würde
Caroline vom Flughafen aus anrufen. Eva setzte alles auf eine Karte. Mit einem
entschiedenen Satz war sie an einer Seitentür, riss sie auf und drängte sich
hindurch.
    Draußen!
Geschafft! Mit geschlossenen Augen lehnte sie sich an die Tür, die hinter ihr
ins Schloss gefallen war. Sie wartete, ob sich auf der anderen Seite etwas
rührte. Es blieb ruhig. Sie atmete durch, öffnete die Augen und erkannte, dass
ihre Probleme gerade erst anfingen.
     
    25
     
    Eva war
nicht nur Ehefrau, Mutter, Köchin, Krankenschwester, Chauffeur, Wasch- und
Putzfrau. Für ihre vier Kinder war Eva zudem eine begehrte Hausaufgabenhilfe.
Vor Kurzem hatte sie Frido jr. beigestanden, als dieser sich für den
Deutschunterricht der Herkunft von Sprichwörtern widmen sollte. Als besonders
interessant stellte sich der Begriff »Schwein gehabt« heraus. In einer der
Theorien wurde die Redewendung auf den mittelalterlichen Brauch zurückgeführt,
bei Sportfesten dem Verlierer als Trostpreis ein Schwein zu überreichen. Seit
heute hielt Eva diese Version für die wahrscheinlichste aller Theorien. Denn
genau das war das Schicksal, das sie an diesem zweiten Pilgertag ereilte. Eva
hatte eine Niederlage erlitten. Jetzt bekam sie das Schwein. Es hieß, wie das
Schild am Gatter verriet, Rosa und baute sich groß und mächtig vor Eva auf. Der
Seitenausgang war keineswegs für heimlich abreisende Gäste gedacht. Es war der
Zugang zu Rosas matschigem Außengehege. Weil Rosa grundsätzlich Hunger hatte
und aussah, als hätte sie bereits diverse Male die Küche geplündert, hatte die
Tür auf der Seite des Außengeheges keine Klinke. Das Gehege grenzte direkt an
die Straße. Wenn Eva die einmal erreicht hatte, musste sie nach rechts, am
Eingang der Auberge vorbei. Von dort waren es circa hundert Meter bis zur
Haltestelle. Doch vor ihr stand Rosa. Eva war gefangen, der Fluchtweg
versperrt.
    Die Uhr sprang auf 8.03 Uhr.
    Eva machte
einen vorsichtigen Schritt und versank bis zum Knöchel im stinkenden Modder.
Das Schweineungetüm grunzte wütend. Auf dem Teller wirkte so ein Tier viel
übersichtlicher.
    »Weg ...
allez ... verschwinde ... disparez.«
    Rosa
zeigte sich von Evas zittriger Stimme nicht beeindruckt. Neugierig stapfte sie
auf ihren kurzen dünnen Beinen näher und näher. Der Glibber leuchtete an ihrem
Rüssel.
    »Ich
bestelle nie mehr Schwein. C'est promis. Ehrlich«, flehte Eva.
    Warum nur
hatte sie diesen Kurs nicht zu Ende gemacht? Wahrscheinlich verstand das Vieh nur
französische Kommandos. Der weiche Schweinerüssel stieß nass und glitschig
gegen ihre Hand. Eva schloss die Augen und wimmerte leise vor sich hin. Es wäre
ihr sehr recht gewesen, in dieser Situation etwas weniger Schwein zu haben.
    Sie
musste. Jetzt. An. Dem. Schwein. Vorbei. Sie hatte es eilig. Die einzige Waffe,
die ihr zur Verfügung stand, waren ihre Vorräte. All die Lebensmittel, die
Kekse, die Dauerwurst, die Cracker, die sie am Abend im Supermarkt eingekauft
hatte, um ihren Proviant aufzustocken, wurden zu Munition. Vielleicht kam man
leichter an einem satten Schwein vorbei? Verzweifelt warf Eva der begeisterten
Rosa ihren kompletten Vorrat zum Fraß vor. Bis auf den letzten Krümel.
    Der Bus
war schon im Dorf angekommen. Die sonore Hupe hallte durch die schmalen Gassen.
    Als Eva
einen Schritt nach

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