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Peetz, Monika

Peetz, Monika

Titel: Peetz, Monika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Dienstagsfrauen
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Trampolinspringen, halb nackt im Spiegel
eines Badezimmers. Unbeschwerte und glückliche Momente, aufgenommen mit dem
Selbstauslöser oder dem ausgestreckten Arm. Lächelnd betrachtete Kiki die
albern ausgelassenen Schnappschüsse. Bis ihr bewusst wurde, was sie da
eigentlich tat. Energisch drückte sie die Deletetaste. Der vergnügte junge Mann
zerfiel in tausend einzelne Pixel. Max verschwand aus dem Speicher ihrer
Kamera, so wie er aus Kikis Leben verschwunden war. Es war vorbei. Niemand
würde je erfahren, was zwischen ihnen vorgefallen war.
     
    Minuten
später schlummerte Kiki über ihrer Arbeit und den Erinnerungen an Max ein. Vage
hörte sie zwei Katzen, die wütend im Terrainkampf fauchten, von Ferne schlug
die Uhr der kleinen Dorfkirche elfmal. Das Licht vor dem Bild von Arne
verlöschte lautlos. Alles war still und friedlich, bis ein markerschütterndes
Telefonklingeln die himmlische Ruhe durchschnitt. Der charakteristische
Klingelton war den Dienstagsfrauen inzwischen ebenso vertraut wie verhasst. Das
klingelnde Telefon gehörte natürlich Eva.
    Caroline
hatte bereits beim Zubettgehen festgestellt, dass der Zwischenraum zwischen
unterem und oberem Bett eher für Pygmäen denn für groß gewachsene Kölner
Strafanwältinnen geschaffen war. Leider berücksichtigten ihre Reflexe die
Erkenntnis vom Vorabend eher weniger. Caroline fuhr hoch und knallte gegen die
Latten des oberen Bettes.
    Das
Telefon von Eva klingelte gnadenlos weiter. Der durchdringende Klingelton war
wohl ein Relikt aus einer Zeit, in der Telefone im Flur standen und so laut
waren, weil man sie im ganzen Haus hören musste. Doch die guten alten Zeiten
waren vorbei und Telefone standen längst nicht mehr an einem festen Platz,
sondern lagen mit Vorliebe dort, wo man sie nicht suchte.
    Unter
zahlreichen Entschuldigungen schälte sich Eva fluchend aus ihrem Bett. Sie
wollte von Anfang an nicht oben schlafen. Zum einen, weil sie keine Ahnung
hatte, wie sie halbwegs elegant die Treppe hochkommen sollte, zum anderen,
weil sie Angst hatte, nachts rauszumüssen. Ungeschickt kletterte sie auf das
untere Bett. Mit ihrem ganzen Gewicht knallte sie auf den Unterarm von Judith,
die vor Schmerzen aufheulte.
    Wo war nur
der Lichtschalter? Wo war das verdammte Telefon? Das Einzige, was sie auf
Anhieb fand, war die spitze Kante des Beistelltischchens. Leider mit ihrem
Knie. Der Wein ergoss sich über ihre nackten Füße. Eva kreischte, Caroline
stöhnte und Kiki warf ein Kissen. Nur Estelle träumte selig weiter und merkte
nichts. Was sie nicht davon abhalten würde, beim Frühstück am nächsten Morgen
wortreich zu beteuern, kein Auge zugetan zu haben.
    Schließlich
war es Caroline, die das Telefon von Eva im Dunkeln ertastete. Sie nahm das lärmende
Ding und schleuderte es in hohem Bogen aus dem Fenster. Von draußen hörte man
empörtes Schweinegrunzen. Caroline hatte einen Volltreffer gelandet.
     
    23
     
    Ginette
hatte in ihrem Leben viele Gäste beherbergt. In den Jahrzehnten, die sie die
Auberge Sainte Marie führte, hatte sie gelernt, Menschen einzuschätzen. Als
kurz vor Mitternacht eine aufgelöste, mollige Frau in kurzer Schlafhose,
T-Shirt und mit bloßen Füßen vor ihr stand, wies sie mit einer einfachen Geste
auf das Telefon im Gang.
    Eva gelang
es kaum, die Kölner Nummer zu wählen, so sehr zitterte sie. Es war eine
Mischung aus Kälte, Müdigkeit und Erschöpfung, die jede Faser ihres Körpers
ergriffen hatte. Anna nahm sofort ab.
    »Du hast
gesagt, ich darf Tag und Nacht anrufen«, entschuldigte sie sich bei ihrer
Mutter, die also richtig getippt hatte. Natürlich kam der spätabendliche Anruf
aus Köln, von zu Hause.
    »Was ist
passiert?«
    »Mama, da
ist ein Werwolf in meinem Zimmer«, bebte die kleine Stimme.
    Ein
Werwolf Natürlich. Jeder wusste, dass man die von Frankreich aus am besten
bekämpfen konnte. Hatte Frido Anna erlaubt, mit den Großen Filme anzusehen?
    »Annamaus,
warum gehst du nicht zu Papa?«
    »Papa
glaubt nicht an Werwölfe. Wie soll er sie dann finden?«
    So einfach
war das. Wenn man nicht an Werwölfe glaubte, durfte man in Ruhe weiterschlafen,
auch wenn man nur zehn Meter von der potenziellen Gefahr entfernt war.
    »Und die
Großen?«
    »Lachen
mich doch nur aus.«
    Eva
verstand nur zu gut, dass es nicht um Werwölfe ging. Anna vermisste ihre
Mutter, so wie sie ihre Tochter und den Rest der Familie vermisste. Aber das
tröstete in dieser Situation niemanden.
    »Anna,
weißt du, was Oma Lore mir früher vorgesungen

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