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Pelagia und der rote Hahn

Pelagia und der rote Hahn

Titel: Pelagia und der rote Hahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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schwarz vor Augen, an Stelle der Angst trat nackte Wut.
    »Das ist eine Westentaschenpistole!«, brüllte Matwej Benzionowitsch mit blutunterlaufenen Augen. »Ein unentbehrlicher Gegenstand, um nächtlichem Raubgesindel Einhalt zu gebieten!«
    Der Graf verzog angewidert das Gesicht.
    »Filip, nimm ihm dieses scheußliche Ding weg.«
    Jetzt wäre es eigentlich angebracht gewesen, dem fiesen Adligen eine Kugel zu verpassen, um ihm die außerordentlichen Qualitäten der geschmähten Waffe zu demonstrieren, aber der Staatsanwalt erinnerte sich an die Warnung des Verkäufers, dass die Durchschlagskraft der Patrone bei einem Abstand von mehr als zwei Klaftern deutlich nachlasse und bei fünf Klaftern bereits vollkommen wirkungslos sei.
    Die Entfernung zu dem Grafen betrug zwar keine fünf Klafter, aber leider deutlich mehr als zwei.
    Deshalb drehte sich Berditschewski abrupt zur Seite und richtete die Mündung auf Filip, der wie ein Büffel auf ihn zugetrampelt kam. Ohne Zeit mit albernen Warnrufen zu vergeuden (»Halt! Ich schieße!« usw., usw.), spannte er einfach den Hahn und ließ ihn gleich wieder los.
    Der Knall war nicht sehr laut, leiser als, sagen wir, der Knall eines Sektkorkens. Ein kaum spürbarer Rückstoß. Der Rauch, der aus dem winzigen Lauf herauspuffte, ähnelte einem kleinen Wattebäuschlein, gerade groß genug für ein Nasenloch.
    Jedoch, so kurios es scheinen mag, der riesige Kerl knickte in der Mitte zusammen und hielt sich mit beiden Händen den Bauch.
    »Eure Erlau . . .«, ächzte Filip. »Er hat mir in den Bauch . . . O weh! Ich halt’s nicht aus!«
    Für einen Moment verwandelte sich die Szenerie im Esszimmer in eine Art Pantomime oder Pas de quatre. Auf dem Gesicht des Grafen spiegelte sich grenzenlose Verwunderung – deren Konsequenz die Entstehung von wenigstens zwei bis drei Falten war –, und seine Arme bewegten sich wie in Zeitlupe in die Höhe. Kescha war auf dem Fußboden in der Pose des sterbenden beziehungsweise fast schon toten Schwanes erstarrt, der verletzte Diener pendelte in tief gebückter Haltung auf den Absätzen vor und zurück, als vollführte er seltsam groteske Kotaus, und Berditschewski selbst, der tief in seinem Herzen einigen Zweifel an der Wirksamkeit seiner Waffe gehegt hatte, wurde steif wie ein Besenstiel.
    Der Staatsrat kam als Erster zu sich. Er warf die nutzlose Pistole fort, raffte seinen »Lefoche« vom Boden auf und tastete hektisch nach dem Abzug. Ach ja, das Ding war ja zum Sichern!
    Er legte die Sicherung um und nahm die Pistole in die linke Hand. Den rechten Daumen steckte er in den Mund, um den eingerissenen Nagel mit der Zunge zu befühlen.
    Auch wenn sein »Lefoche« nur »billiger Plunder« war, wie der Graf sich ausdrückte, aber sechs Kugeln waren mehr als eine, und man konnte damit auch auf größere Entfernung schießen.
    »Tut das weh!«, heulte Filip ohrenbetäubend. »Er hat mir in den Bauch geschossen! Oh, Mami, das brennt! Ich sterbe!«
    Er fiel auf den Rücken und streckte die Beine in die Luft.
    »Schnauze!«, brüllte Berditschewski. Seine Stimme klang schrill und verzerrt, sein Gesicht war weiß vor blinder Wut. »Halt den Mund, oder ich schieße noch mal!«
    Der Lulatsch verstummte augenblicklich und gab kein Geräusch mehr von sich, biss sich nur stumm auf die Lippen und wischte sich die Tränen ab, die in dem bärtigen Gesicht seltsam deplatziert wirkten.
    »Und du, Miftkerl«, herrschte der Staatsanwalt, wieder an seinem Fingernagel saugend, Kescha an, »marf unter den Tif, und wehe, du fteckft auch nur deine Nafenfpitfe rauf!«
    Der junge Mann dislozierte sich unverzüglich in die befohlene Position, blieb aber, unter dem Gesichtspunkt des Erhalts seiner körperlichen Unversehrtheit, immer noch auf allen vieren.
    Jetzt konnte Berditschewski sich dem Hauptobjekt widmen.
    Dieses stand noch immer wie zur Salzsäule erstarrt, mit dem angebissenen Pfirsich in der Hand.
    »Foo, werte Erlaucht, jetft werden wir unf einmal nett miteinander unterhalten«, sagte Matwej Benzionowitsch, ohne den Finger aus dem Mund zu nehmen, und lächelte so, wie er noch nie im Leben gelächelt hatte.
    Etwas kaum Begreifliches und doch unendlich Wunderbares geschah in diesem Moment mit dem wackeren Staatsrat. Sein ganzes Leben lang hatte Berditschewski sich für einen Feigling gehalten. Wenn ihm auch bisweilen eine einigermaßen kühne Tat gelungen war (bei einem Staatsanwalt fast unvermeidlich), hatte ihm dies doch jedes Mal das Äußerste an seelischer und

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