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Pelagia und der rote Hahn

Pelagia und der rote Hahn

Titel: Pelagia und der rote Hahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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heute.«
    »Und das soll ich Ihnen glauben? Sie haben ihn doch freigekauft!«
    »Davon kann keine Rede sein. Warum auch? Wenn ich für jeden meiner Liebhaber fünfzehntausend Rubel zahlen sollte, wäre von dem Familienvermögen nicht mehr viel übrig.«
    »Sie waren es nicht?!« Mit einem Schlag war die ganze Courage des Staatsanwalts wie fortgeblasen. »Nicht Sie? Aber . . . wer war es dann?«
    Der Graf zuckte mit den Achseln.
    Version Nummer drei, die strahlend wie ein Phönix aus der Asche ihrer beiden Vorgänger erstanden war, brach in sich zusammen. Wieder eine Niete gezogen! Die Zeit ganz umsonst vertan!
    »Sie sehen ja ganz verstört aus«, sagte der Schlossherr nervös. »Trinken Sie lieber noch etwas Wein. Ehrenwort, ich weiß nicht, wer Razewitsch freigekauft hat. Bronek hat kein Wort erzählt.«
    Als der Staatsanwalt den Sinn der letzten Bemerkung begriffen hatte, fragte er:
    »Also haben Sie ihn noch einmal gesehen, nachdem er schon freigekommen war?«
    »Nur ein einziges Mal. Er tat sehr geheimnisvoll, redete ziemlich nebulöses Zeug. Ich fand, er spielte sich ein wenig auf. Er sagte: ›Sie haben Razewitsch weggeworfen wie einen zerschlissenen Schuh. Na gut, meine Herren, warten Sie nur ab.‹ Ich hatte den Eindruck, dass er mit diesen ›Herren‹ seine ehemaligen Vorgesetzten meinte.«
    »Und was noch? Denken Sie nach, verdammt noch mal!«, schrie Berditschewski ihn an. Tscharnokuzki zog den Kopf ein und klimperte mit den Augenlidern.
    »Ja, ja, ich erzähl ja schon. Er hat sich einfach sehr unklar ausgedrückt. Anscheinend hat ihn im Gefängnis irgendeine hoch gestellte Persönlichkeit besucht. Das hat er selbst so gesagt: ›Eine hoch gestellte Persönlichkeit, eine sehr hoch gestelltem Und dann wurde das Geld für ihn bezahlt. Das ist alles, was ich weiß.«
    Wahrlich keine Pelagia
    Hinter ihm erklang ein Gepolter.
    Berditschewski drehte sich um und sah, dass der verletzte Lakai die Gelegenheit nutzen wollte, um sich in Richtung Salon davonzumachen.
    »Halt!«, rief der Staatsanwalt und stürzte ihm nach. »Ich schieße!«
    Filip fiel der Länge nach hin und hielt die Hände über den Kopf.
    »Ich verblute! Ich kann nicht mehr, ich sterbe!«
    Und wieder das Geräusch fliehender Schritte, diesmal aus der anderen Richtung.
    Matwej Benzionowitsch fuhr herum, aber zu spät. Er sah gerade noch, wie die Gestalt im schwarzen Kimono durch die Tür entschlüpfte. Ein letztes kurzes Aufblitzen des silbernen Drachen – weg war er. Der Riegel klirrte.
    »Lieg still, du Lump!«, brüllte Berditschewski den Diener an und stürzte hinter dem Grafen her.
    Er rüttelte an der Tür – vergebens.
    Mit drei Schritten war er beim Tisch und zerrte Kescha darunter hervor.
    »Was ist hinter dieser Tür?«
    »Das Kabinett.«
    »Kann man von dort aus die Dienerschaft rufen?«
    »Ja, es gibt eine elektrische Klingel und ein Haustelefon.«
    Da hörte Berditschewski schon hinter der Tür ein durchdringendes Schrillen und die hysterische Stimme des Magnaten. Er schrie entweder in eine Sprechmuschel oder einfach aus dem Fenster.
    »Wie viele Diener gibt es im Schloss?«
    »Vielleicht zehn . . . Nein, mehr.«
    Und ich habe nur sechs Kugeln, dachte Matwej Benzionowitsch, aber durchaus nicht in Panik, sondern ganz ruhig und sachlich.
    Er lief zum Fenster und schaute in den dunklen Innenhof. Mehrere Schatten liefen von verschiedenen Seiten herbei. Er rannte zur anderen Seite – dort lag schwarz der Wald, und unter dem Fenster glitzerte das Wasser.
    Er öffnete das Fenster und lehnte sich hinaus.
    Ja, das war der Burggraben. Hm, ziemlich hoch. Aber er hatte keine andere Wahl.
    Er war schon halb auf dem Fensterbrett, als ihm noch etwas einfiel. Rasch sprang er zurück ins Zimmer.
    Zuerst lief er zur Tür und drehte den Schlüssel um. Dann packte er Kescha am Revers.
    »Los, Jungchen, geben Sie mir mein Geld wieder. Ihre Theorie war falsch.«
    Der Blonde gab dem Staatsanwalt mit zitternder Hand seine ganze Geldbörse, und Matwej Benzionowitsch nahm seinen Hunderter heraus.
    Draußen hörte man das Getrappel von Schritten, und dann begann die Tür zu beben – offenbar rammte jemand mit der Schulter dagegen.
    Berditschewski warf einen letzten Blick in das Zimmer, schnappte sich die halb leere Flasche vom Tisch und stieg wieder auf das Fensterbrett.
    Inzwischen wurde die Tür offenbar mit einem schweren Gegenstand bearbeitet, die Goldverzierungen platzten von den Türfüllungen ab.
    Mit einem raschen Schritt – damit gar nicht erst

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