Pelagia und der rote Hahn
Sie die Schweinerei auf, und machen Sie alles wieder hübsch sauber. Die könnten ihm doch wenigstens einmal eine frische Sache geben, wo noch keiner seine Finger dran gehabt hat, damit er nicht ständig nur anderer Leute Mist wegschaufeln muss. Wofür halten die ihn eigentlich, für einen Lokusputzer?
Solcherart vor sich hinbrummelnd saß Jakow Michailowitsch auf der Terrasse des »Cafe de Paris«, welches in der Kleinen Borschtschowka gegenüber dem bischöflichen Garten gelegen war, und schaute über den Rand der »Sawolshsker Eparchial-Nachrichten« auf die sonnendurchflutete Straße. Er war ein Mann in mittleren Jahren und von unauffälligem Äußeren.
Die Kleidung dieses Herrn entsprach seiner Physiognomie – sie war solide und anständig, aber irgendwie blass. Es gab nichts, woran die Augen eines potentiellen Betrachters Halt gefunden hätten: ein grauer, getüpfelter Gehrock, der Hemdkragen nicht allzu weiß, wenn auch keineswegs schmuddelig, und auf dem Tisch vor ihm lag eine schon ein wenig abgetragene Melone. Bemerkenswert an diesem durch und durch bescheidenen Herrn war allenfalls seine unschöne Angewohnheit, bei jeder Gelegenheit, insbesondere dann, wenn er konzentriert nachdachte, mit den Fingerknöcheln zu knacken.
Auch jetzt gerade wieder umfasste seine rechte Hand mit einer raschen Bewegung die Finger der linken und ließ sie derart laut knacken, dass sich die beiden Fräuleins am Nachbartisch entrüstet zu ihm umwandten. Die eine rümpfte sogar ihr feines Näschen.
»Pardon«, sagte Jakow Michailowitsch und lächelte entschuldigend. »Wird nicht wieder Vorkommen!«
Der Kaffee, der ihm in einer bunten Majolikatasse serviert worden war, ließ dem Geruch und seiner übermäßigen Süße nach eher an Kakao denken, aber Jakow Michailowitsch hatte auf seinen Reisen in die Provinz schon schlechteres Gebräu vorgesetzt bekommen. Gewöhnlich verfuhr er dann folgendermaßen: Er ließ sich ein volles Kännchen Sahne bringen – die ist in der Provinz nämlich viel besser und fetter als in den großen Städten –, füllte seinen Kaffee bis oben hin damit auf, und dann war das Ganze mehr oder weniger bedenkenlos genießbar.
Fünfundzwanzig Minuten nach sieben Uhr zog Jakow Michailowitsch seine billige Silberuhr aus der Tasche und ließ den Deckel aufschnappen; aber anstatt aufs Zifferblatt zu schauen, wandte er den Kopf nach rechts, als warte er auf etwas oder jemanden Bestimmtes. Keine Minute später näherte sich aus der Richtung des Kasaner Tors eine Nonne. Sie trug eine Brille, und unter ihrer Haube leuchtete eine rote Haarsträhne hervor. Der Wartende glättete sein schütteres schwarzes Haar, senkte den Blick aufs Zifferblatt (es zeigte genau halb), nickte beifällig und kritzelte mit Bleistift etwas in sein Notizbuch (ein geheimnisvoller Schnörkel, weder Wort noch Ziffer, dessen Sinn nur ihm allein verständlich war).
Als die Nonne auf der Höhe der Cafehausterrasse angekommen war, verdeckte der dunkelhaarige Gast Gesicht und Oberkörper mit seiner Zeitung, und kaum war die schwarzgekleidete Gestalt hinter der Pforte zum bischöflichen Garten verschwunden, beglich er seine Rechnung und verließ, unter Zurücklassung eines Trinkgeldes von acht Kopeken, das Cafe.
Eilige Geschäfte schien der Fremde indes nicht zu haben. Mit gemächlichem Schritt spazierte er durch Sawolshsk, welches ja auch, zumal an einem solch herzerquickenden Frühlingstag, eine durchaus nette und angenehme Stadt ist. Die leichte Reisetasche schlenkerte lässig in seiner Hand, und so klapperte Jakow Michailowitsch sämtliche lokalen Sehenswürdigkeiten ab. Um neun Uhr abends speiste er in einer Milchbar Pfannkuchen mit Quark. Wieder gab er acht Kopeken Trinkgeld und fragte nach dem Abtritt. Selbiger befand sich auf dem Hof.
Der Gesättigte begab sich zur Latrine und verschwand darin auf Nimmerwiedersehen. Stattdessen trat kurze Zeit später ein Handwerksmeister mit Schiebermütze, langschößigem Rock und graumeliertem Bart aus dem zweckdienlichen Kabüffchen. Ein anständiger, solider Mann, das sah man sofort, trinkt nicht, hält auf sich – auch wenn er vielleicht nicht allzu gut verdient. Auf seinem Rücken hing ein Beutel an einer Kordel.
Wo der Dunkelhaarige mit der abgewetzten Melone hingekommen war, blieb ein Geheimnis. Er war doch nicht etwa in den Lokus gerutscht?
Das war übrigens Jakow Michailowitsch, der diese frivole Bemerkung vor sich hingebrummelt hatte: einer von den harmlosen Scherzen, die er gern in
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