Pelagia und der rote Hahn
hat das Pfeiferauchen auf gegeben und auf einmal seine Glatze jeden Tag mit Knoblauchsud beträufelt. Aber als das Jahr um war, hat er sich wieder beruhigt, da war er wohlbehalten im nächsten Lebensabschnitt angekommen. Bei Ihnen wird sich auch alles wieder einrenken, meine Teuerste, glauben Sie mir. Aber seien Sie nicht zu streng mit ihm, er braucht jetzt viel Verständnis.«
Als sich ihr Gast verabschiedet hatte, dachte Maria Gawrilowna noch ein Viertelstündchen darüber nach, was für ein Knochen ihrem Gatten wohl im Halse stecken mochte. Schließlich fasste sie den Entschluss, ihm wieder mal seine geliebte Mohnbiskuitrolle zu backen und alles Weitere vertrauensvoll in Gottes Hände zu legen.
In ganz Sawolshsk kannte nur Mitrofani den wahren Grund der Besorgtheit und nervlichen Angespanntheit des Staatsanwalts. Die beiden Männer waren übereingekommen, absolutes Stillschweigen zu bewahren, eingedenk der Schuhsohle, die Pelagia um ein Haar zum Verhängnis geworden wäre, eingedenk aber auch der scheinbaren Allgegenwart des unsichtbaren Gegners.
Die Abwesenheit der Schulleiterin erklärte man durch medizinische Erfordernisse: Die Schwester habe sich wohl, wen wundert’s, bei ihren unvernünftigen Schwimmübungen im eiskalten Fluss die Nieren verkühlt und sei zu einer dringenden Behandlung in ein Kurbad im Kaukasus geschickt worden. In der Schule wütete jetzt die Progressistin Swekolkina und malträtierte die armen Mädchen mit Bruchrechnung und gleichschenkligen Dreiecken.
Des Abends aber, spät, fand sich Matwej Benzionowitsch bei Mitrofani ein und berichtete ausführlich über alle Aktionen des Tages. Anschließend steckten die beiden ihre Nasen in den Atlas und stellten Berechnungen an, wo sich Pelagia in diesem Moment wohl befinden mochte. Dies schien ihnen ein unbeschreibliches Vergnügen zu bereiten. »Jetzt ist sie wahrscheinlich gerade auf der Höhe von Kertsch«, sagte dann beispielsweise der Bischof. »Da kann man auf der einen Seite die Krim sehen und auf der anderen den Kaukasus. Und hinter der Meerenge hat man dann schon richtigen Seegang, wie auf dem offenen Meer.« Oder: »Jetzt ist sie auf dem Marmarameer. Da brennt die Sonne ganz schön heiß, pass mal auf, wie da die Sommersprossen sprießen!« Und beide, Bischof wie Staatsanwalt, lächelten verträumt, wobei der eine in die Zimmerecke schaute, der andere zur Decke.
Dann verschwand Berditschewski aus der Stadt, vorgeblich auf Anordnung des Ministeriums, und blieb eine Woche lang weg.
Als er zurückkehrte, eilte er schnurstracks zum Bischof.
So ein Spitzbube!
Kaum hatte er die Tür zum Kabinett Seiner Eminenz hinter sich geschlossen, legte er los:
»Sie hatte Recht – wie immer, nebenbei gesagt. . . Aber nein, ich will nicht vorgreifen. Sie erinnern sich, wir hatten beschlossen, den Banditen über ihr erstes Verbrechen auf die Spur zu kommen – den Raub von Manuilas ›Schatz‹. Unsere Vermutung war, dass die ›Warschauer‹ sich ihr Opfer vorher ausgeguckt hatten und ihm dann auf den Fersen blieben, bis sich ein geeigneter Moment böte. Das ist normalerweise ihre Taktik. Aus diesem Grunde hatten wir ausgemacht, dass ich die Reiseroute der ›Findelkinder‹ zurückverfolge und nach Zeugen suche.«
»Ich weiß, ich weiß«, warf der Bischof ungeduldig ein, der dem Gesicht des Erzählenden ansah, dass er nicht mit leeren Händen zurückgekehrt war. »Du hattest gehofft, auf diese Weise herauszufinden, wer den Räubern diesen . . . wie heißt das . . . diesen Dings gegeben hat.«
»Den Tipp«, half ihm Berditschewski weiter. »Genau, wer ihnen den Tipp mit dem ›Schatz‹ der Sekte gegeben hat. Und von da aus wollte ich den Faden zu den Banditen zurückverfolgen. Das ist eine der elementarsten kriminalistischen Regeln: Der kürzeste Weg zum Täter führt über das Umfeld des Opfers.«
»Ja, ja. Aber erzähl schon. Hast du den Informanten gefunden?«
»Es gab keinen Informanten! Die Sache verhielt sich vollkommen anders! Aber unterbrechen Sie mich nicht ständig, Eminenz, ich werde Ihnen lieber alles der Reihe nach berichten . . .«
Seine Eminenz legte schuldbewusst die Hand auf den Mund: Ich bin stumm wie ein Fisch. Und endlich kam der Bericht ins Rollen – wenngleich Mitrofani dabei natürlich nicht vollkommen still bleiben konnte, das ließ sein Temperament einfach nicht zu.
»Scheluchin und sein Gefolge gingen in Nischni Nowgorod an Bord des Dampfers«, begann der Staatsanwalt seinen Bericht. »Bis dorthin waren sie, wie
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