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Pelagia und der rote Hahn

Pelagia und der rote Hahn

Titel: Pelagia und der rote Hahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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ich feststellen konnte, von Moskau aus per Zug gefahren. Der Schaffner konnte sich noch gut an unseren Pseudo-Manuila erinnern, er war einfach zu extravagant für einen Passagier der ersten Klasse. Er hatte ein Coupe für sich, die anderen Vogelscheuchen reisten dritter Klasse und suchten ihn der Reihe nach auf. Warum er erster Klasse reiste, ist ja klar – damit jeder sah: aha, da reist ein echter Prophet. Und genauso klar ist, warum sich ständig jemand bei Scheluchin aufhielt – wegen der Schatulle . . . In Moskau haben die ›Findelkinder‹ so eine Art Versammlungsort, das ist ein Keller in Chitrowka, ganz in der Nähe der Synagoge. Es ist anzunehmen, dass sie diese Nachbarschaft mit Absicht gewählt haben, aber die echten Juden lassen diese Fasnachtsgesellen nicht in die Synagoge hinein und wollen absolut nichts mit ihnen zu tun haben. Manuilas Schäfchen müssen auf der Straße beten. Ein ziemlich ulkiger Anblick: Sie ziehen sich die Schöße ihrer Kittel über den Kopf und jammern irgendwas vor sich hin, was Hebräisch sein soll. Die Gaffer lachen sie aus, und die Juden spucken auf sie. Kurz gesagt, eine echte Volksbelustigung. Dazu müssen Sie bedenken, dass die meisten dieser ›Findelkinder‹ nicht gerade den erfreulichsten Anblick bieten. Abstoßende Säufervisagen, von der Syphilis zerfressene Nasen . . . Von den Chitrowker Stadtstreichern werden diese Gottesnarren übrigens vollkommen in Ruhe gelassen – sie tun ihnen Leid. Ich habe die ›Findlinge‹ beobachtet und mit mehreren von ihnen gesprochen. Wissen Sie, was mich am meisten überrascht hat? Sie betteln um Almosen, aber sie nehmen kein Geld, nur Lebensmittel. Sie sagen, sie brauchen keine Kopeken, weil das Geld vom Zaren kommt, die Nahrung aber komme von Gott.«
    »Wie, sie nehmen kein Geld? Und woher kommt dann dieser ›Schatz‹?«
    »Genau da liegt der Hase im Pfeffer! Wir waren davon ausgegangen, dass sich in der gestohlenen Schatulle die gesammelten Almosen befanden, dass Manuila all die zahllosen Fünfer und Groschen in Banknoten umgewechselt und fein säuberlich in seiner Schatulle verwahrt hat. Jetzt stellt sich aber heraus, dass es gar nicht so war! Ich habe also meine ›Warschauer‹ Version erst einmal auf Eis gelegt, weil ich wissen wollte, woher denn das Geld kam. Ich habe bei diesen Möchtegern-Juden vorsichtig auf den Busch geklopft, um herauszufinden, was sie über Manuilas Schatz wissen. Dazu muss man sagen, dass diese Leute in der Regel sehr offen und vertrauensselig sind – gerade solche Menschen sind ja häufig die bevorzugten Opfer von Hochstaplern. Ja, sagten sie, davon haben wir gehört, da ist eine Riesenmenge Geld drin, das hat ein Kaufmann aus der Stadt Borowsk dem Propheten Manuila gespendet, damit wir uns im Gelobten Land niederlassen können. Selbstverständlich bin ich sogleich nach Borowsk gefahren und habe mit diesem ›Kaufmann‹ gesprochen.«
    »Und wie hast du den gefunden?«, ächzte Mitrofani, der sich gar nicht genug wundern konnte, was für einen ungeahnten Tatendrang sein geistlicher Sohn da offenbarte.
    »Ganz einfach. Borowsk ist eine kleine Stadt, reich, sauber, nüchtern. Dort leben hauptsächlich Altgläubige. Jeder kennt jeden. Die Erscheinung einer so pittoresken Figur wie des Propheten Manuila wird man dort so schnell nicht vergessen. Die Sache war so. Jener Borowsker ›Kaufmann‹, ein Mensch namens Pafnutjew, saß hinter seinem Stand und verkaufte seine Waren, es war gerade Markttag. Da kam plötzlich so ein verhungerter Landstreicher zu ihm und bat um Brot. Er trug nichts am Leibe als einen schäbigen Kittel mit einem blauen Strick als Gürtel. Er war barhäuptig, sein Haar vollkommen verfilzt, und in der Hand hielt er einen Pilgerstab. Nun kann Pafnutjew Bettler nicht leiden, und deshalb fing er an ihn abzukanzeln, nannte ihn einen ›Schmarotzer‹ und ›Tagedieb‹. Jener aber entgegnete ihm: ›Ich bin zwar ein Bettler, du aber bist ein armer Mensch, und das ist viel schlimmer.‹ ›Ich bin ein armer Mensch ?!‹, rief Parnutjew, einer der reichsten Männer in Borowsk, beleidigt. Darauf Manuila: ›Natürlich bist du das! Siebenundvierzig Jahre hast du schon gelebt und weißt nicht, dass ein Bettler seliger ist als so ein Geldsack wie du.‹ Der Kaufmann staunte Bauklötzer – woher wusste dieser Fremde, wie alt er war?! Verwirrt stammelte er: ›Was heißt seliger?‹ ›Im Geistes antwortete der Landstreicher darauf.«
    Mitrofani konnte sich nicht mehr beherrschen und

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