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Pelagia und der rote Hahn

Pelagia und der rote Hahn

Titel: Pelagia und der rote Hahn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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schnaufte:
    »Aha, also Christus erkennt er nicht an, aber das mit den Seligen im Geiste hat er sich schlau aus dem Evangelium geholt.«
    »Nicht nur das. Außerdem hat er Pafnutjew erzählt, das Tor zu Gott sei sehr eng und nicht jeder passe hindurch. ›Urteile selbsts sagt er, ›wer kann sich wohl leichter hindurchzwängen – ein Bettler oder du?‹ Und dabei klopft er sich auf den mageren Hintern. Nun wiegt Pafnutjew leicht seine acht Pud, wenn nicht zehn, wie es sich für einen Kaufmann gehört. Natürlich haben alle, die dabei waren, losgegackert – das muss ja auch ein komisches Bild gewesen sein. Pafnutjew war aber nicht beleidigt, sondern ›verspürte plötzlich eine gewisse Nachdenklichkeit«, wie er selber dazu sagte. Er schloss seinen Stand und nahm den sonderbaren Mann‹ mit zu sich nach Hause, um das Gespräch fortzusetzen.«
    »Warte mal, so ganz komme ich nicht mit. Er soll doch stumm sein, dieser Manuila, beziehungsweise sich nicht verständlich artikulieren können. Ich habe noch gedacht, das muss ja ein origineller Prophet sein, der ohne Worte predigt.«
    »Er kann sich ausgezeichnet artikulieren. Er hat einen Sprachfehler, er lispelt oder stottert oder irgendetwas in der Art, aber der Wirkung seiner Rede tut das keinen Abbruch. Pafnutjew sagte: ›Er spricht undeutlich, aber verständlich.« Ich möchte Sie ganz besonders auf diese ›gewisse Nachdenklichkeit‹ aufmerksam machen, die Pafnutjew ergriff und ihn dazu brachte, sich auf eine für ihn vollkommen ungewohnte Art zu verhalten.«
    »Hypnotische Fähigkeiten?«, vermutete der Bischof.
    »Wahrscheinlich sogar außergewöhnlich starke. Erinnern Sie sich, wie er das Mädchen von seiner Stummheit heilte? Er ist ein ganz gerissenes Subjekt, und zudem sehr gut informiert. Wissen Sie, womit er Pafnutjew weich gekriegt hat, als sie dann bei ihm zu Hause beim Tee saßen? Er hat ihm lauter Einzelheiten aus seinem Leben erzählt, von denen eigentlich niemand etwas wissen kann.«
    »Das klingt so, als sei er nicht zufällig gerade bei Pafnutjew gelandet!«
    Matwej Benzionowitsch nickte. »Er muss sich genauestens vorbereitet haben. Und er ist bestimmt nicht wegen eines Kantens Brot zu ihm gegangen. Worüber sie gesprochen haben, konnte Pafnutjew mir nicht sagen. Er ächzte und stöhnte und rang die Hände, aber ihm fiel nicht mehr ein, was Manuila genau zu ihm gesagt hatte. Mit einer Ausnahme.« Der Staatsanwalt machte eine bedeutungsvolle Pause. »Der gute ›Gottesmann‹ hat den armen Kaufmann dazu überredet, sein gesamtes Vermögen für die Bedürftigen herzuschenken, denn nur so könne er die wahre Freiheit erlangen und den Weg zu Gott finden. Das Gewissen eines Reichen sei mit einem dicken Fell bewachsen, redete Manuila ihm ein, sonst würde er sich nicht mit Milchbrötchen mästen, während die anderen nicht einmal ein Stück trockenes Schwarzbrot haben. ›Erst wenn du zum Bettler geworden bist, wird dein Gewissen rein sein, und dann öffnen sich dir die Tore des Himmels«, sagte er. ›Aber ob du dafür auf Milchbrötchen verzichten willst, das musst du selbst entscheiden.‹«
    »Und, ist ihm der reiche Knopp auf den Leim gegangen?«, fragte der Bischof grinsend.
    Berditschewski hob einen Finger: Hören Sie weiter, dann werden Sie es erfahren.
    »Zum Teil. ›Ich bekam es mit der Angst«, erzählte Pafnutjew weiter. ›Aber der Teufel hatte mich am Genick und erlaubte nicht, dass ich mein ganzes Vermögen hergab.« Im Heiligenschrein hinter der Ikone hatte der Kaufmann ein Bündel Hin-reines« Geld liegen. Soviel ich verstanden habe, ist das so eine spezielle Sitte bei den Borowsker Kaufleuten: Wenn sie zum Beispiel verdorbene Ware verkauft oder jemanden sonstwie übervorteilt haben, dann legen sie diesen unredlichen Gewinn für eine Weile hinter die Ikone, damit er ›gereinigt‹ wird. Und dieses Geld hat Pafnutjew dem Streiter wider den Reichtum gegeben, alles, was da war. Manuila hat sich zuerst geziert und so getan, als wollte er es nicht annehmen – er selber brauchte es ja nicht, oder? Aber dann, versteht sich, hat er es mit dem größten Vergnügen eingesackt. Er sagte, er wolle es den Bedürftigen und Hungernden in Palästina zukommen lassen, dort sei der Boden karg, nicht so wie in Russland.«
    Matwej Benzionowitsch konnte sich einen höhnischen Lacher nicht verkneifen – dieser durchtriebene Halunke schien ihm zu imponieren.
    »Und was jetzt?«, erkundigte sich Mitrofani. »Hat sich Pafnutjew sehr gegrämt? Hat er

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