Pelagia und der schwarze Moench
nicht, war unklar. Auch wenn er sie erkannt hätte, wäre es nicht schlimm, beruhigte sich Frau Lissizyna, er würde dann annehmen, der wunderlichen Dame sei im Traum wieder das Krokodil erschienen.
»Guten Tag, Vater.« Korowin neigte den Kopf und sah den zornigen Klostervorsteher mit heiterer Verwunderung an. »Womit habe ich die unerwartete Ehre verdient?«
»Brechen Sie den Vertrag?« Witali polterte mit seinem Stab auf den Boden. »Der Vertrag, mein Herr, ist wertvoller als Geld! Was haben Sie mir versprochen? Die Finger von den Brüdern zu lassen! Und nun?«
»Ja, was nun?«, fragte der keineswegs erschrockene Doktor. »Was ist denn Entsetzliches geschehen?«
»Die › Wassilisk‹ konnte am Morgen nicht auslaufen! Der Kapitän ist nicht da! Nicht in seiner Zelle, nicht am Anleger, nirgends! Die Passagiere sind in Aufruhr, im Laderaum liegt eine Fracht, die keinen Aufschub duldet – Sauerrahm aus dem Kloster, und niemand kann das Schiff lenken!« Seine Hochehrwürden griff nach dem Brustkreuz, offenbar um sich an die christliche Sanftmut zu erinnern. Es half nichts. »Ich habe eine Ermittlung durchgeführt! Jonas wurde gestern Abend mit Ihrer babylonischen Hure gesehen!«
»Wenn Sie über Lidia Jewgenjewna Borejko sprechen«, versetzte Donat Sawwitsch gelassen, »so ist sie keineswegs eine Hure. Ihre Diagnose lautet anders: pathologische Quasi-Nymphomanie mit obsessiver Aufdringlichkeit und defizitärer Libido. Mit anderen Worten, sie gehört zu den bildschönen Koketten, die den Männern den Kopf verdrehen, sich aber auf gar keinen Fall anrühren lassen.«
»Wir hatten eine Abmachung!«, brüllte Witali ohrenbetäubend laut. »Meine Mönche hat sie in Ruhe zu lassen! Sie mag mit den Touristen üben! Hatten wir das so abgemacht oder nicht?«
»Ja«, gab der Doktor zu. »Aber vielleicht hat Ihr Jonas sich ihr gegenüber nicht wie ein Mönch verhalten?«
»Bruder Jonas ist eine einfache, arglose Seele. Ich selbst nehme ihm die Beichte ab, kenne alle seine harmlosen Sünden zur Genüge.«
Korowin runzelte die Stirn.
»Eine einfache Seele, sagen Sie? Ich habe in Lidia Jewgenjewnas Schlafzimmer ein Päckchen Kokain gefunden und zwei weitere leere Päckchen mit Spuren des Pulvers. Wissen Sie, wer ihr dieses Zeug vom Festland liefert? Ihr Seefahrer.«
»Das ist eine Lüge!!! Wer Ihnen das gesagt hat, ist ein Verleumder und ein Lästermaul!«
»Lidia Jewgenjewna selbst hat es zugegeben.« Donat Sawwitsch machte mit der Hand eine Geste zum See hin. »Und Ihr verlorenes Schaf, die einfache Seele, liegt zurzeit sternhagelvoll beim alten Leuchtturm. Sie können hinfahren und sich selbst überzeugen. Frau Borejko trifft also keine Schuld, dass das Schiff nicht auslaufen kann.«
Die Augen des Archimandriten sprühten Feuer, aber er stritt nicht weiter. Wie eine schwarze Windhose sprang er nach draußen und knallte den Wagenschlag zu. Er schrie:
»Fahr zu! Na, mach schon!«
Mit einem Ruck stob die Kutsche davon, sodass der Schotter unter den Rädern nach allen Seiten spritzte.
»Also ist die Borejko ebenfalls Ihre Patientin?«, fragte Polina Andrejewna fassungslos.
Der Doktor runzelte die Stirn und lauschte auf das ungestüme Hufgetrappel, das in der Ferne verklang.
»Wenn er jetzt bloß nicht behauptet, Terpsichorow würde den Kapitän abfüllen . . . Verzeihung, was sagten Sie? Ach, die Borejko. Nun, selbstverständlich ist sie meine Patientin. Sieht man ihr das nicht an? Eine recht verbreitete Ausformung der weiblichen Persönlichkeit, gewöhnlich femme fatale genannt, die jedoch bei Lidia Jewgenjewna bis ins äußerste Extrem gesteigert ist. Sie muss sich unentwegt als Objekt der Begierde einer möglichst großen Anzahl von Männern fühlen. Gerade das Verlangen der anderen verschafft ihr emotionale Befriedigung. Früher lebte sie in der Hauptstadt, doch nach einigen tragischen Geschichten, die mit Duell und Selbstmord endeten, vertrauten ihre Eltern sie meiner Obhut an. Das Leben auf der Insel hat einen günstigen Einfluss auf Lidia Jewgenjewna. Erheblich weniger Männer, die sie reizen könnten, fast keine Versuchungen, und vor allem – überhaupt keine Rivalinnen. Sie empfindet sich als die Schönste dieser abgeschlossenen kleinen Welt und ist daher ganz beruhigt. Hin und wieder testet sie ihre Reize an einem der Touristen, um sich von ihrer Unwiderstehlichkeit zu überzeugen, und das reicht ihr. In diesen kleinen Streichen sehe ich nichts Gefährliches. Die Borejko hat versprochen, ihre Finger von
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