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Pelagia und der schwarze Moench

Pelagia und der schwarze Moench

Titel: Pelagia und der schwarze Moench Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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vielleicht sogar zur Schließung, aber – mea culpa, also muss ich auch die Verantwortung tragen.«
    »Was haben Sie denn damit zu tun?«, wunderte sich Polina Andrejewna und zog ihre frierenden Füße hoch – die Schuhe waren beim Leuchtturm zurückgeblieben, aber sie hätten ihr auch nichts genützt, feucht und durchnässt, wie sie waren. »Warum müssen Sie die Verantwortung für die Verbrechen dieses Mannes tragen?«
    Sie wollte dem Doktor schon die ganze Wahrheit über den schwarzen Mönch eröffnen, kam aber nicht dazu, denn Korowin winkte ärgerlich ab und sprudelte erregt hervor:
    »Weil Terpsichorow mein Patient ist und nicht gerichtlich belangt werden kann. Er steht unter meiner Obhut, ich trage die Verantwortung für ihn. Wie konnte ich mich bei der Diagnose nur so täuschen! Das ist vollkommen unverzeihlich! Eine latente Aggressivität nicht erkennen, und was für eine! Mit den Fäusten auf eine Frau losgehen – das ist einfach ein Skandal! In jedem Fall schicke ich ihn zurück nach Petersburg. In meiner Klinik gibt es keinen Platz für Raufbolde.«
    »Wer ist Ihr Patient?« Die Lissizyna traute ihren Ohren nicht. »Nikolaj Wsewolodowitsch?«
    Der Doktor lächelte bitter.
    »Hat er sich Ihnen so vorgestellt, als Nikolaj Wsewolodowitsch? Ja natürlich! Oh, wenn ich herausbekomme, wer ihm diesen Schund zugesteckt hat!«
    »Welchen Schund?« Polina Andrejewna verstand überhaupt nichts mehr.
    »Sehen Sie, Laert Terpsichorow (das ist natürlich sein Bühnenname) ist einer meiner interessantesten Patienten. Er war Schauspieler, ein Genie, wie man so sagt, von Gottes Gnaden. Wenn er in einem Theaterstück spielte, identifizierte er sich völlig mit seiner Rolle. Publikum und Kritik schwelgten in Begeisterung. Die besten Schauspieler sind bekanntlich diejenigen mit einer schwach ausgeprägten Individualität, deren › Ich‹ nicht verhindert, dass sie in immer neue Rollen schlüpfen. Bei Terpsichorow nun ist das eigene › Ich‹ überhaupt nicht vorhanden. Wenn er keine Rolle hat, liegt er von morgens bis abends auf dem Diwan und starrt die Decke an, wie eine Marionette beim Puppenspieler in der Truhe liegt. Doch kaum muss er sich in eine Rolle versetzen, lebt er auf, sammelt neue Kräfte und Energie. Frauen haben sich bis zum Wahnsinn, bis zur Raserei in ihn verliebt. Er war dreimal verheiratet, und jedes Mal dauerte die Ehe nur wenige Wochen, die längste einige Monate. Dann erkannte die jeweilige Ehefrau, dass ihr Auserwählter eine Null ist, ein Nichts, und dass sie sich nicht in Laert Terpsichorow, sondern in einen literarischen Helden verliebt hatte. Aufgrund seiner pathologisch unterentwickelten Persönlichkeit identifizierte sich dieser Schauspieler jedes Mal so sehr mit seiner Rolle, dass er sich auch im Alltag nicht von ihr lösen konnte und sozusagen für den Autor weiterdachte, improvisierte und neue Situationen und Repliken dazuerfand. Und zwar so lange, bis man ihm das nächste Stück zum Einstudieren gab. Seine erste Frau hat also Tschazki geheiratet und fand sich dann als Freundin bei Chlestakow wieder. Die zweite Frau verlor ihr Herz an Cyrano de Bergerac und geriet alsbald an den Geizigen Ritter. Die dritte verliebte sich in den melancholischen Prinzen von Dänemark, und eh sie sich versah, verwandelte der sich in den stutzerhaften Grafen Almaviva. Nach der dritten Scheidung hat Terpsichorow mich aufgesucht. Er liebte seine letzte Frau sehr und war vor Verzweiflung kurz vor dem Selbstmord. Er sagte: › Ich gebe das Theater auf, aber retten Sie mich, helfen Sie mir, mein Ich zu finden!‹«
    »Und, hat es nicht geklappt?«, fragte Polina Andrejewna, die von der merkwürdigen Geschichte gefesselt war.
    »Doch, doch. Der echte Terpsichorow ist nur ein Schatten seiner selbst. Von morgens bis abends verharrt er in Passivität und Schwermut und ist tiefunglücklich. Zum Glück fiel mir ein Buch in die Hände, ein Band mit übersetzten Erzählungen, in dem ein ähnlicher Fall beschrieben wird. Dort wird auch ein Rezept vorgeschlagen – natürlich zum Scherz, doch die Idee schien mir produktiv.«
    »Und was ist das für eine Idee?«
    »Vom Standpunkt des Psychiaters aus eine ganz vernünftige: Nicht jede Abweichung der Psyche muss korrigiert werden, das kann die Individualität zerstören. Man muss aus der Schwäche eine Stärke machen. Schließlich wird jede Vertiefung zu einer Erhöhung, wenn man sie um hundertachtzig Grad dreht. Wenn der Mann ohne Schauspielerei nicht sein kann und nur dann

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