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Pelagia und der schwarze Moench

Pelagia und der schwarze Moench

Titel: Pelagia und der schwarze Moench Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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goldenen Pailletten über und schickte sich an, die Verhandlungen höchstselbst zu führen.
    Die Zauberin lachte und kokettierte über ihren Fächer hinweg mit funkelnden Blicken, weigerte sich aber, Serafim Wikentjewitsch zu begleiten, und entfernte sich alsbald, nachdem sie dem gelehrten Mann vollkommen den Kopf verdreht hatte.
    Zwei Tage verließ er das Haus nicht und sah immerzu aus dem Fenster, ob die Nymphe sich nicht von neuem zeigen würde.
    Das tat sie – am dritten Tag. Dieses Mal ließ sie sich auf eine Übereinkunft ein, nachdem er ihr zweihundert Rubel und einen Saphirring als Zugabe versprochen hatte. Doch sie stellte eine Bedingung: Der Kavalier sollte im Hotel Sanssouci, einem luxuriösen, aber hinsichtlich der Reputation leicht zweifelhaften Etablissement, das beste Zimmer nehmen und sich um zehn Uhr abends dort zum Rendezvous einfinden. Der glückliche Nossatschewski erklärte sich mit allem einverstanden und klopfte bereits um fünf vor zehn mit einem über die Maßen großen Rosenbukett in der Hand an die Tür der im Voraus bestellten Suite.
    Im Salon brannten zwei Kerzen, orientalische Wohlgerüche hingen in der Luft. Eine große, schlanke Gestalt in Weiß streckte dem Prorektor die Hand entgegen, wich aber sogleich mit einem Lachen zurück und begann mit dem vor Leidenschaft vergehenden Nossatschewski zu flirten, indem sie sich spielerisch um den Tisch verfolgen ließ, und als Serafim Wikentjewitsch vollkommen außer Atem war und um Gnade flehte, diktierte sie ihre Bedingung: Alle Anordnungen der Siegerin seien widerspruchslos zu erfüllen.
    Seine Exzellenz kapitulierte nur zu gerne, umso mehr, als die Konditionen verlockend klangen: Die Schöne selbst wollte den Liebhaber entkleiden und ihn ins Boudoir führen.
    In angenehmer Vorfreude erschauernd, gestattete Nossatschewski den leichten, flinken Fingern, ihn zu entkleiden. Er widersetzte sich auch nicht, als die fantasievolle Schöne ihm die Augen mit einem Tuch verband, ein Spitzenhäubchen auf den Kopf setzte und ein rosafarbenes Strumpfband um sein rheumatisches Knie wand.
    »Gehen wir ins Reich der Träume, mein Küken«, wisperte die hinterlistige Verführerin und bugsierte den des Augenlichts beraubten Prorektor in Richtung des Schlafzimmers.
    Er vernahm das Quietschen der sich öffnenden Tür, bekam dann einen heftigen Stoß in den Rücken, lief ein paar Schritte vorwärts und fiel beinahe hin. Hinter ihm wurde der Türflügel zugeschlagen.
    »Mein Vögelchen!«, rief Serafim Wikentjewitsch ungläubig. »Kindchen! Wo bist du denn?«
    Zur Antwort dröhnte ihm vereintes Gelächter aus einem Dutzend rauer Kehlen entgegen, und ein disharmonischer Chor hob an zu schreien:
    Serafim Wikentjewitsch,
    Er ist uns lieb und teuer,
    Hat sich zu uns begeben heuer.
    Dann ging es ganz abscheulich weiter, unter Miauen und Geheule:
    Sima, Sima, Sima,
    Sima, Sima, Sima,
    Sima-Sima-Sima-Sima,
    Sima, sing nur immer!
    Nossatschewski riss entsetzt das Tuch herunter und sah auf dem unendlich großen Bett à la Louis-quinze eine Reihe von Studenten der Universität von K. sitzen, die zu den schlimmsten Trunkenbolden gehörten und nun die unanständige Nacktheit ihres Prorektors dreist betrachteten, den teuren Champagner direkt aus der Flasche tranken und die Früchte und die Schokolade bereits verschlungen hatten.
    Erst jetzt wurde dem unglücklichen Prorektor klar, dass er Opfer einer Verschwörung geworden war. Serafim Wikentjewitsch stürzte zur Tür und riss an der Klinke, doch er konnte sie nicht öffnen, der rachsüchtige Aljoscha hatte sie von außen verschlossen. Auf das höhnische Geschrei hin kamen die Angestellten durch die Dienstbotentür hereingelaufen, und dann kam auch noch der Stadtwächter von draußen herbeigerannt. Es gab den abscheulichsten Skandal, den man sich nur denken kann.
    Das heißt, offiziell gab es gar keinen Skandal, weil die verworrene Geschichte vertuscht wurde, doch bereits am nächsten Tag wusste man in der Stadt wie auch im ganzen Gouvernement K. in allen haarsträubenden und wie gewöhnlich noch übertriebenen Einzelheiten über die »Benefizvorstellung« des Geheimrats Bescheid.
    Nossatschewski reichte freiwillig seinen Rücktritt ein und verließ K. für immer, denn zu bleiben war völlig ausgeschlossen. Es kam vor, dass mitten in einer ernsthaften, ja sogar wissenschaftlichen Unterhaltung ein Gesprächspartner Nossatschewskis unvermittelt flammend rot wurde, vor unterdrücktem Gelächter beinahe platzte und sich

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