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Pelagia und der schwarze Moench

Pelagia und der schwarze Moench

Titel: Pelagia und der schwarze Moench Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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Nonne nun vollends unglaublich war: Sie begab sich in einen Coiffeur-Salon und ließ ihre kurzen Haare nach der letzten Pariser Mode à la joli chérubin ondulieren, was zu ihrem ovalen, sommersprossigen Gesicht sehr vorteilhaft aussah.
    Derartig herausgeputzt, verwandelte sich die Dame aus Sa-wolshsk, wie es bei Frauen zu sein pflegt, nicht nur äußerlich, sondern auch innerlich. Ihr Gang wurde leicht, beinahe schwebend, die Schultern strafften sich, sie hielt den Kopf nicht mehr nach unten geneigt, sondern hoch erhoben. Die Männer blickten sich im Vorbeigehen nach ihr um, und zwei Offiziere blieben sogar stehen, wobei der eine pfiff und der andere ihn vorwurfsvoll zurechtwies: »Aber Michel, was ist denn das für eine Art!«
    Am Eingang der Reiseagentur »Cook and Kantorowicz« wurde die elegant gekleidete Dame von einer bösartigen, schmutzigen Zigeunerin belästigt. Sie drohte ihr mit unausweichlichem Unheil, Alpträumen und Tod durch Ertrinken und verlangte ein Zehnkopekenstück dafür, dass sie Unglück abwenden wollte. Pelagia fürchtete sich nicht etwa vor der Wahrsagerin, zumal sie selbst vor nicht allzu langer Zeit glücklich dem Untergang in den Wellen entkommen war, dennoch gab sie der Hexe Geld, aber nicht nur zehn Kopeken, sondern einen ganzen Rubel, damit diese sich inskünftig besserte und nicht mehr alle Menschen für ihre Feinde hielte.
    In der Agentur, die auch einen kleinen Laden mit Reisebedarf führte, wurden weitere einhundertfünfzig Rubel der bischöflichen Ersparnisse ausgegeben – diesmal für zwei prächtige schottische Koffer, ein Maniküre-Set, ein Brillenetui aus Perlmutt, das man am Gürtel befestigen konnte (was sowohl schön wie praktisch war), und für eine Fahrkarte zum Kloster Neu-Ararat, wohin man mit der Eisenbahn bis Wologda, dann mit der Kutsche bis Sineosjorsk und weiter mit dem Schiff fahren musste.
    »Machen Sie eine Wallfahrt?«, erkundigte der Angestellte sich respektvoll. »Genau die richtige Zeit, jetzt ist es noch nicht zu kalt. Möchten Sie nicht vielleicht sofort ein Hotel buchen?«
    »Können Sie mir eines empfehlen?«, fragte die Reisende.
    »Unlängst sind die Frau unseres Stadthauptmanns und ihre Tochter im Hotel › Kopf des Holofernes‹ abgestiegen. Sie haben es sehr gelobt.«
    » › Kopf des Holofernes‹?« Die Dame runzelte die Stirn. »Gibt es nicht eins, das weniger blutrünstig ist?«
    »Aber natürlich! Es gibt noch das Hotel › Arche Noah‹ oder die Pension › Das Gelobte Land‹. Und wenn eine Dame vollends abgeschirmt vom männlichen Geschlecht logieren möchte, kann sie in der › Keuschen Jungfrau‹ absteigen. Eine überaus fromme Einrichtung für vornehme und wohlhabende Pilgerinnen. Die Preise sind niedrig, aber dafür wird erwartet, dass jede Dame einen Betrag für die Klosterkasse spendet, mindestens hundert Silberrubel. Wer dreihundert oder mehr gibt, wird mit einer persönlichen Audienz beim Archimandriten belohnt.«
    Die letzte Bemerkung schien die künftige Pilgerin sehr zu interessieren. Sie öffnete ihr neues Ridikül, holte ein Bündel Papiergeld (von noch immer beträchtlichem Umfang) heraus und begann zu zählen. Der Angestellte beobachtete diese Prozedur taktvoll und andächtig. Bei fünfhundert Rubel hörte die Kundin auf zu zählen und erklärte unbekümmert:
    »Gut, die › Keusche Jungfrau‹ also.« Sie steckte das Geld zurück in ihr Täschchen, ohne den Rest zu zählen.
    »Wird Ihre Zofe bei Ihnen im Zimmer wohnen, oder soll sie separat untergebracht werden?«
    »Aber ich bitte Sie!« Die Dame schüttelte vorwurfsvoll ihre kupferroten Locken. »Mit einer Zofe auf Wallfahrt? Das ist aber nicht sehr christlich. Ich werde alles selbst machen – mich anziehen, waschen, vielleicht sogar frisieren.«
    »Pardon. Wissen Sie, nicht alle sind so korrekt . . .« Der Angestellte füllte ein Formular aus und tunkte dabei die Stahlfeder immer wieder geschickt in das Tintenfass. »Auf welchen Namen darf ich das Papier ausstellen?«
    Die Pilgerin seufzte und bekreuzigte sich aus irgendeinem Grunde.
    »Schreiben Sie: Polina Andrejewna Lissizyna, Witwe, Erbadlige aus dem Gouvernement Moskau.«
    Reiseskizzen
    Da die Heldin unserer Erzählung sich anders nennt, nachdem sie ihre Kutte abgelegt hat, werden auch wir sie bei diesem neuen Namen nennen – aus Respekt vor dem geistlichen Stand und um Zweideutigkeiten zu vermeiden. Also eine Adlige namens Lissizyna – sie wird es wissen.
    Umso mehr, als die geistliche Tochter des Oberhirten von

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