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Pelagia und der schwarze Moench

Pelagia und der schwarze Moench

Titel: Pelagia und der schwarze Moench Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boris Akunin
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besonderen Zweck bestimmt?«, fragte er, während er das Kontorbuch aufklappte, um das Scherflein der Witwe darin einzutragen.
    »Ganz nach Gutdünken Eurer Hochehrwürden«, erwiderte Polina Andrejewna. »Erlauben Sie, dass ich mich setze?«
    Witali seufzte, weil ihm klar war, dass er an einem seelenrettenden Gespräch nicht vorbeikam – für ihre Spende wollte die Witwe Lissizyna eine Viertelstunde, wenn nicht länger, bei ihm sitzen.
    »Ja, wenn Sie sich bitte hierher bemühen wollen.« Er deutete auf einen unbequemen, eigens für derartige Fälle angeschafften Stuhl, mit Rippen entlang der Sitzfläche und Dornen an der Rückenlehne – mehr als eine Viertelstunde hielt man es auf einem solchen Inquisitionsstuhl nicht aus.
    Polina Andrejewna nahm Platz und stieß einen Schmerzenslaut aus, machte aber keine Bemerkung über den erstaunlichen Stuhl.
    Sie lobte die wunderbare Ordnung in Ararat, den Anstand und die Nüchternheit der Bevölkerung, die industriellen Neuerungen und die großartigen Bauten, und der Archimandrit hörte wohlwollend zu, denn Frau Lissizyna wusste vorzüglich schmeichelnde Worte zu sagen und ihm nach dem Munde zu reden. Dann wandte sie sich dem Wesentlichen zu, um dessentwillen sie fünfhundert Rubel ausgegeben hatte.
    »Was haben Eure Hochehrwürden für eine Stütze an der Wassilisk-Einsiedelei! Einerseits die Gnade, und dann die Pilger!«, freute sich die Besucherin für Neu-Ararat. »Kaum ein Kloster verfügt über eine so unschätzbare Kostbarkeit.«
    Witali verzog sein rundes Gesicht, das so gar nicht zu seiner lang gestreckten Gestalt passte.
    »Ich kann Ihnen nicht zustimmen, meine Tochter. Für den früheren Klostervorsteher, meinen Vorgänger, war die Nachbarinsel sehr einträglich, aber für mich ist sie, offen gestanden, nur eine Last. Die Pilger kommen heutzutage weniger wegen der Einsiedelei als vielmehr zur geistigen und körperlichen Erholung nach Ararat. Wir haben hier doch ein richtiges Paradies, das dem Garten Eden gleicht! Und auch ohne die Pilger stehen wir, Gott sei Dank, auf festen Füßen. Die Einsiedelei bringt uns nur Unruhe und Unstimmigkeiten in die Bruderschaft. So manches Mal, das können Sie mir glauben, träume ich von einem Erlass des Synods, der alle Einsiedeleien schließen und das Eremitenleben verbieten würde, damit die Hierarchie und die Ordnung nicht mehr gestört wird.« Der Klostervorsteher stampfte mit seinem schweren Fuß auf, dass der Boden dröhnte. »Ich sehe, Sie sind eine kluge Frau, Sie denken zeitgemäß, sodass ich mit Ihnen völlig offen und ohne Umschweife reden kann. Was ist denn daran heilig, wenn der Abt auf der Nachbarinsel ein unverbesserlicher Wüstling ist! Ach, haben Sie davon noch nicht gehört?«, fragte Witali, als er bemerkte, dass sich das Gesicht seiner Gesprächspartnerin verzog (gut möglich, dass diese Grimasse nicht durch Verwunderung, sondern durch den unbequemen Stuhl hervorgerufen wurde). »Der Mönch Israil war in der Vergangenheit ein furchtbarer Wüstling, ein echter Luzifer der Sinnlichkeit! Er hat die anderen Eremiten überlebt und nun, bitte sehr, ist er der Vorsteher der Einsiedelei, der oberste Hüter der Sineosjorsker Heiligkeit, ein ganzes Jahr bereits. Der Herr nimmt ihn einfach nicht zu sich. Und ich, obwohl ich Klostervorsteher bin, habe bei der Ernennung nicht mitzureden, weil die Nachbarinsel ihre eigenen Regeln hat!«
    Polina Andrejewna schüttelte betrübt und voller Mitgefühl den Kopf.
    »Hören Sie mir auf mit der Wassilisk-Einsiedelei!« Der Hochehrwürdige ereiferte sich immer mehr. »Hier im Kloster habe ich den Genuss geistiger Getränke strengstens verboten, und wer gegen dieses Gebot verstößt, den schicke ich nach Ukatai, oder ich setze ihn in die Strafzelle, bei Wasser und Brot, aber die Einsiedelei lässt alkoholische Ausschweifungen zu, völlig ungestraft, und man kann einfach nichts dagegen ausrichten!«
    »Die heiligen Mönche trinken Wein?« Die Lissizyna schlug ihre braunen Augen nieder.
    »Nein, nicht die Mönche trinken. Bruder Kleopa trinkt – der Fährmann, der als Einziger zur Nachbarinsel fahren darf. Er hält kein Maß im Trinken und macht beinahe jeden Abend Radau, brüllt Lieder – und nicht immer geistlichen Inhalts. Davonjagen kann ich ihn nicht, es gibt niemanden, der ihn ersetzen könnte. Die anderen fürchten sich alle, und zwar nicht nur zur Insel zu fahren, sondern sich nur dem Ufer zu nähern. Mit keiner Strafandrohung kann man sie zwingen.«
    »Warum denn das?«,

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