Pelagia und der schwarze Moench
gefärbte Wolken zu sehen waren, sich leicht hätte täuschen lassen und meinen können, das Haus habe überhaupt kein Dach. An der Wand zur Nordseite hin war der Kiefernwald abgebildet, an der Wand nach Osten der zum Fluss und zu den Meiereien hin sanft geneigte Abhang, die Wand nach Westen hin zeigte die Wiese und die beiden Nachbarcottages, und die Wand nach Süden Buschwerk. Es war nicht schwer zu bemerken, dass der Künstler mit verblüffender Genauigkeit die Landschaft ringsum abgebildet hatte. Nur schien sie bei Jessichin viel ausdrucksvoller und weiträumiger, das durchs Fenster zu sehende Original wirkte dagegen wie eine blasse Kopie der gemalten Landschaft.
»Er begeistert sich gerade für Landschaften«, erklärte Donat Sawwitsch halblaut, und er deutete auf den Künstler, der mit dem Rücken zu den Ankömmlingen an der Wand zur Ostseite hin stand und konzentriert mit einem kleinen Pinsel über die Leinwand fuhr, ohne sich umzusehen. »Momentan arbeitet er an dem Zyklus › Tageszeiten‹. Sehen Sie: Hier ist der Sonnenaufgang, hier der Morgen, hier der Mittag, hier der Abend, und an der Decke die Nacht. Die Hauptsache ist, dass man rechtzeitig die Leinwand wechselt, sonst beginnt er ein neues Bild direkt auf dem alten. Ich habe in all den Jahren eine bedeutende Sammlung angelegt – eines Tages werde ich damit alle Ausgaben für die Klinik bestreiten können«, scherzte Korowin. »Und wenn nicht ich, dann meine Nachfolger.«
Vorsichtig näherte sich die Lissizyna dem Genie, das an der »Abendwand« arbeitete, von der Seite her, um Jessichin besser betrachten zu können.
Sie sah ein hageres, unaufhörlich Grimassen schneidendes Profil, grau melierte, schmutzige Strähnen, die in die Stirn hingen, einen speckigen Kittel, einen feinen Speichelfaden, der von einer welken Lippe herunterlief.
Das Bild selbst machte bei näherer Betrachtung auf die Besucherin einen ebenso unangenehmen, wenn auch unleugbar starken Eindruck. Ohne jeden Zweifel war es ein geniales Werk: Die erleuchteten Fenster der beiden gemalten Cottages, der Mond über ihren Dächern, die dunklen Silhouetten der Kiefern atmeten Geheimnis, Grauen und Sterben – es war nicht einfach eine Abendstimmung, sondern ein allumfassender Abend, Vorbote ewiger Finsternis und ewigen Schweigens.
»Warum erschüttert uns das Unangenehme und Hässliche in der Kunst mehr als die Schönheit, die den Blick erfreut?« Polina Andrejewna erschauerte. »In der Natur kommt das nie vor, dort gibt es auch Abscheuliches, doch nur als Hintergrund für das Schöne.«
»Sie sprechen über das Werk des Himmlischen Schöpfers, die Kunst aber ist das Werk irdischer Schöpfer«, erwiderte der Doktor, der die Bewegungen des Pinsels verfolgte. »Da haben Sie eine weitere Bestätigung dafür, dass Künstler ihren Stammbaum vom aufrührerischen Engel des Satans herleiten. Konon Petrowitsch!« Er erhob plötzlich die Stimme und klopfte dem Maler auf die Schulter. »Was soll denn das darstellen?«
Die Lissizyna sah, dass ein wenig abseits von einem der Cottages, in gleicher Höhe mit dem Dach, etwas Eigenartiges gemalt war: eine unnatürlich lang gezogene Gestalt in einem oben spitz zulaufenden schwarzen Kittel, auf langen, dünnen Beinen, die aussahen wie Spinnenbeine. Unwillkürlich blickte die junge Dame aus dem Fenster, doch dort konnte sie nichts Derartiges entdecken.
»Das ist ein Mönch«, bemerkte Polina Andrejewna mit unschuldiger Stimme. »Aber ein etwas seltsamer.«
»Das ist nicht bloß ein Mönch, sondern der schwarze Mönch, die Hauptsehenswürdigkeit von Kanaan«, nickte Donat Sawwitsch. »Sie haben wahrscheinlich von ihm gehört. Eines verstehe ich nicht . . .«Er klopfte dem Künstler noch einmal auf die Schulter, diesmal kräftiger. »Konon Petrowitsch!«
Der aber dachte überhaupt nicht daran, sich umzudrehen, und Frau Lissizyna machte sich innerlich bereit. Eine glückliche Verkettung von Umständen schien ihr die Aufgabe zu erleichtern. Warm, sehr warm!
»Der schwarze Mönch?«, fragte sie. »Das Gespenst von Wassilisk, das angeblich auf dem Wasser wandelt und alle erschreckt?«
Korowin machte ein finsteres Gesicht, weil er sich über den starrsinnigen Künstler ärgerte.
»Nicht nur das. Er hat auch noch angefangen, mir neue Patienten zu verschaffen.«
Noch wärmer!
»Konon Petrowitsch, ich rede mit Ihnen! Und wenn ich eine Frage stelle, gehe ich nicht eher, als bis ich eine Antwort habe«, sagte der Doktor streng. »Soll das hier Wassilisk sein?
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