Pelbar 1 Die Zitadelle von Nordwall
fliehen. Eine Reihe von kleineren Shumaiangriffen hat stattgefunden. Er hat Leute zu Tode geprügelt. Und warum lassen wir dieses Kaninchen jetzt nicht aus-bluten, ehe es uns steif wird? Ich sehe, du hast noch zwei. Gut. Ich glaube, wir können da unten einen Lagerplatz finden, Jestak. Ich gehe voraus. Hier, gib mir das Messer.« Sie nahm Jestaks Kurzschwert und ließ ihn bei den anderen stehen.
»Du machst sie nervös, Pelbar«, sagte Prestiginagi, als sie sich umdrehten und ihr folgten. Er gab dazu keine Antwort.
»Du mußt mit den Shumaiangriffen zu tun gehabt haben«, fügte Prestiginagi hinzu. Jestak sagte noch immer nichts.
»Ihr müßt ein kriegerisches Volk sein«, ließ sich Escripti vernehmen, der sich beim Gehen auf Noti stützte.
Jestak lachte: »Kriegerisch? Eher wie Kühe. Die Pelbar verbringen einen großen Teil ihres Lebens hinter hohen Mauern, einfach um den Angriffen der Shumai und Sentani auszuweichen. Bis ich kam. Und ich bin auch nicht kriegerisch. Ich bin nur hierher gekommen, um Tia zu holen, und jetzt werden wir nach Hause gehen, und ich hoffe, nie wieder näher als auf fünfhundert Ayas an Emeri-Territorium heranzu-kommen. Sollen sich die Shumai mit euch herum-schlagen, die haben Kämpfe ganz gerne, und ihr gebt euch anscheinend alle Mühe, welche zu provozie-ren.«
»Dann warst du also bei ihnen.«
»Ich bin wegen Tia gekommen – und auch wegen Pferden.«
»Pferden?«
»Sie sind im Osten unbekannt – nur in Innanigan habe ich eine Statue von einem gesehen – und das ist mehr als zweitausend Ayas östlich von hier. Anscheinend stammte sie aus den Jahren vor der Zeit des Feuers, viele hundert Jahre früher. Wir hätten gerne Pferde. Sie würden die Lasten erleichtern, die jetzt unsere Männer tragen.«
»Ihr kennt keine Pferde? Innanigan? Mehr als zweitausend Ayas im Osten? Was sollen wir dir noch alles glauben? Was für eine Zeit des Feuers?« be-klagte sich Escripti.
»Sei still!« sagte Prestiginagi.
Tia kam zurück, um sich Feuerstein und Stahl aus-zuleihen. »Ich habe einen Bach und schützende Felsen gefunden«, sagte sie. »Hoffentlich seid ihr jetzt Freunde.«
»Freunde?« fragte Jestak. »Sie haben keinen weiteren Versuch gemacht, mich zu töten.« Während er das sagte, schnallte er sich die Scheide seines Kurzschwerts ab und reichte sie Tia. »Behalte das!« sagte er.
»Du bist der Fremde in unserem Land«, sagte Noti.
»Du bist derjenige, der von sich behauptet, er sei ge-fährlich.«
»Nur weil ihr Menschen raubt, um sie zu versklaven. Ich werde von hier fortgehen, sobald ich kann.
Solange wir aber noch beisammen sind, sollten wir eigentlich gut miteinander auskommen. Es sei denn, ihr wollt kämpfen. Aber ihr müßt zugeben, daß zwei alte Männer und ein Knabe keine Gegner für einen Mann und eine Shumaifrau sind.«
Tia lachte und fügte sie an die Stelle, die sie ausgesucht hatte, dabei sagte sie: »Sie sind schon in Ordnung, Jestak. Sie wissen nicht einmal selbst, wie sie sind. Wir werden bald fortgehen, also sollten wir versuchen, uns zu vertragen.«
Nachdem sie gegessen hatten, schlief Escripti tod-müde ein. Jestak legte seine Fellrolle über ihn. Noti, der wirklich unerfahren war, musterte Jestak mit einer Mischung aus Argwohn und einiger Bewunde-rung. Anscheinend wußte er, wovon er sprach. Prestiginagis Gedanken waren von all den neuen Dingen, die Jestak im Gespräch beiläufig erwähnt hatte, so erregt, daß er hellwach blieb. Tia wusch sich sorgfältig weiter unten im Dunkeln am Bach, dann kehrte sie erfrischt zurück, nahm Jestaks Fellrolle von dem schlafenden Escripti, kuschelte sich hinein und legte sich neben den alten Mann. Noti brachte Holz, setzte sich und lauschte der Unterhaltung der beiden Männer.
»Und diese Zeit des Feuers?« fragte Prestiginagi.
»Das ist so eine Idee, die ich mir zum Teil selbst ausgedacht habe, zum Teil stammt sie von Dingen, die ich gesehen habe, und zum Teil von alten Vorstellungen, die sich bei allen Völkern finden, die ich kennengelernt habe. Heute abend habe ich hier eine weitere Bestätigung bekommen. Euer Dialekt ist dem meinen näher als der der Shumai. Wir sind beide auf die Schrift angewiesen, die für ein Volk, das den Herden folgt, nicht von großer Bedeutung ist. Ja, vielleicht gab es sogar eine Zeit, in der sie ohne sie auskamen. Aber jetzt wird sie bei den Shumai fast wie ein Ritual gelehrt.
Wie ist es möglich, daß zwei zahlenmäßig nicht sehr starke Völker, die so voneinander getrennt sind,
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