Pelbar 1 Die Zitadelle von Nordwall
wußte aber auch, daß ich das nicht tun würde. Ich hatte ihm gesagt, daß sich mein Ehrgefühl sogar auf ihn erstreckte.«
»In gewissem Sinne, Tia, warst du der Stein, der nicht in die Mauer paßte. Ich frage mich, ob du wirklich mitgeholfen hast, sie zum Einsturz zu bringen.«
»Ich zweifle daran. Es war eine morsche Mauer, und eine dagegenfliegende Taube hätte sie umgeworfen.«
Jestak schwieg eine Zeitlang und briet ein Stück Wildfleisch. »Tia«, sagte er dann, »wenn Presti so ist, wie du sagst, dann wird er draußen auf den Ebenen mit Berittenen auf uns warten. Kannst du reiten?«
»Nur ein bißchen.«
»Ich kann auch kaum reiten. Bei Ottan haben sie mich auf ein Pferd gesetzt, das mich beinahe umgebracht hätte. Aber wir werden entweder reiten müssen oder die Strecke von den Bergen aus nur bei Nacht zurücklegen können.«
»Ich verstehe nicht, warum du glaubst, daß er das tun wird.«
»Wir sind lose Enden im Netz. Er wird wollen, daß sie verknüpft werden. Jeder Politiker muß voraus-denken. Du weißt doch, wie es bei Hof ist. Inzwischen hat er sich ausgerechnet, inwiefern ich für den Sieg der Shumai verantwortlich war. Das sind Dinge, die wird er nicht zulassen wollen.«
»Dieser Jestak steckte hinter den Raubzügen der Shumai, da bin ich sicher. Es waren gar nicht viele Männer. Er wollte nicht darüber sprechen, aber ich merkte, daß da ein sehr kraftvoller Geist am Werke war. Im Bunde mit den Shumai ist er zu gefährlich, als daß man ihn fortlassen könnte. Wir müssen ihn entweder fangen oder töten.«
»Ich dachte, du sagtest, er sei friedfertig, Krugistoran.«
»Friedfertig vielleicht, Thousoran, aber sicherlich tödlich gefährlich. Die Speerwerfer der Shumai sind mir lieber.«
»Was schlägst du vor?«
»Wie ich es sehe, wird er sich denken, daß wir auf den Ebenen mit Pferden auf ihn warten, denn er muß sie überqueren, um zu den Shumai-Lagern im Westen zu kommen. Er hat natürlich recht. Wir müssen das tun, und es ist unsere beste Chance. Aber ich glaube, wir sollten auch Patrouillen in die Vorberge, gleich östlich vom Westrand der Prärie schicken. Ich würde an seiner Stelle bei Nacht laufen und mich untertags in den Vorbergen darauf vorbereiten. Das wird wahrscheinlich heute in zwei Tagen sein. Was meinst du?«
»Es wird eine Hilfe für die Leute sein, die ihn gefangennehmen sollen.«
»Oder ihn töten«, sagte Prestiginagi. »Ich habe nichts gegen ihn persönlich. Es wäre mir ein Vergnü-
gen, mich zwei Wochen lang mit ihm zu unterhalten.
Die Viertelnacht, die wir miteinander gesprochen haben, hat meine Welt mehr erweitert, als dies jemals sonst geschehen ist. Aber das ist genau der Grund, warum wir ihn nicht laufen lassen können. Andererseits weiß er sich zu helfen. Auf jeden Fall wird es ein spannender Wettkampf.«
Der Thousoran lächelte. »Nun, den könnten wir brauchen, nachdem wir gerade drei so schlechte hinter uns haben.«
»Ja«, sagte der Krugistoran. »Seinetwegen.«
Tia lag in der Fellrolle, und Jestak lehnte mit dem Rücken dagegen und blickte ins Feuer vor ihr. Sie hatte den Arm um ihn gelegt. Beide konnten sie nicht schlafen. »Jestak, was soll nun aus mir werden?«
fragte sie.
»Das liegt bei dir, Tia. Du weißt, ich bin nicht ohne Grund so weit gekommen, um dich zu holen. Ich hoffe, du kannst vielleicht für immer als meine Frau bei mir bleiben. Aber ich möchte nicht, daß du das Ge-fühl hast, mir das schuldig zu sein.«
»Du bist ein sonderbarer Mensch. Du bist das Ge-genteil des Schmelztopfs, der nichts getan hat, aber alles haben wollte.«
»Was meinst du dazu?«
»Jestak, ich möchte bei dir bleiben. Du warst ein Traum für mich, als ich in Emerta war. Ich erinnere mich, wie der Arm ins Wasser tauchte und mich er-faßte, und ich merkte gleich an der Art, wie du mich festhieltest, daß ich gerettet war. Von dir geht eine solche Sicherheit aus. Aber ...«
»Aber was?«
»Jestak, wenn man mich untersucht, wie es Brauch ist, weil man glaubt, daß ich dem Krugistoran angehört habe ... nun, die Shumai sind in solchen Dingen streng. Es würde dir bei ihnen schaden.«
»Du hast ihm aber doch nicht angehört, oder?«
»Nein, aber ich war Sklavin auf den Farmen, Jestak.
Ich war gefesselt. Du glaubst doch wohl nicht – hast du gedacht, sie würden mich in Ruhe lassen?«
»Ist jetzt alles in Ordnung?«
»Ja«, sagte sie sehr leise. »Mir geht es gut. Aber nicht alles ist in Ordnung.«
»Nun, dann wollen wir nicht mehr davon sprechen.
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